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«Bei uns gibt es keine Arbeit, die nicht 4000 Franken wert ist»

Sie ist eine herausragende Drucktechnologin, sie ist syndicom-Mitglied und sie unterstützt faire Löhne: Andrea Schmidheiny überzeugt in vielen Bereichen. Mit syndicom spricht die 22-Jährige über Frauen in der grafischen Industrie, Herren in Führungspositionen und über Lohngerechtigkeit.



  

 

syndicom: Im Juli wurdest du auf den WorldSkills zur besten Drucktechnologin der Welt gekürt. Und das in einer Branche, deren Frauenanteil unter 40 Prozent liegt. Trotzdem warst du beim Wettbewerb nicht die einzige Frau im Druckbereich.

AS: Im Finale der WorldSkills waren wir fünf Frauen und acht Herren. Dass so viele Frauen da waren, hat sogar die Experten verwundert. Meine härteste Konkurrenz war dann auch die Kandidatin aus Deutschland.  

Wo sind dir in deiner Lehr- und Arbeitszeit Frauen begegnet?

In der Lehre waren wir 20 oder 21 Personen, davon fünf Frauen. Es sind aber nicht alle im Beruf geblieben. Ich kenne nur eine, die noch weitergearbeitet hat und jetzt recht gut in Richtung Produktionsleitung unterwegs ist. Im Betrieb haben wir eine Lehrtochter und zwei weitere Frauen im Druckbereich. Wir sind drei festangestellte Frauen, aber eine ist nur im Stundenlohn und verdient wohl weniger. Dazu kommen Aushilfskräfte, das sind auch Frauen. Sie erledigen einfache Handarbeiten. und werden immer nur dann geholt, wenn wir Leute brauchen. Etwa wenn etwas von Hand eingepackt werden muss. Es sind Hausfrauen, die oft noch Kinder haben und sich etwas dazuverdienen. Ich weiss nicht genau, wie viele es sind. Jetzt haben wir es auch ruhiger, da sieht man die Aushilfskräfte nicht mehr so oft.

Und die Chefs?

Mein jetziger Produktionsleiter und mein Chef sind Männer. So war es auch im Betrieb, in dem ich meine Lehre gemacht habe. Schon in der Schule habe ich in den Beruf hineingeschnuppert. Da war ich in einem Betrieb, den es nicht mehr gibt, da er fusioniert ist. Aber auch dort war der Chef ein Mann. Meine Vorgesetzten sind immer Männer gewesen. Das ist schon ziemlich krass.

Kannst du uns etwas über deinen Lohn erzählen?

Ich sage jetzt keine Zahl, aber wahnsinnig viel ist es nicht. Jetzt etwas über 4200 Franken.

Du sagst: «jetzt»: Im Juli trat der neue Gesamtarbeitsvertrag für die grafische Industrie in Kraft, den syndicom ausgehandelt hatte. Die Mindestlöhne wurden dort auf 4200 Franken festgesetzt. War das der Grund für deine Gehaltserhöhung?
Richtig. Die ist also praktisch von alleine gekommen. Wenn man mir weiterhin nur den alten Lohn geboten hätte, hätte ich "ciao" gesagt, ich bin schliesslich Weltmeisterin in meinem Beruf. Vor dem Berufs-Wettkampf im Juli verdiente ich  nur wenig über 4000 Franken.

Neben Vertragsverhandlungen setzt sich syndicom auch politisch ein. Etwa für die Mindestlohninitiative. Eine gute Sache?
Auf jeden Fall. Das geht ja auch uns Arbeiter an. Alle sind doch froh, wenn sie gut durchkommen. In der grafischen Industrie gibt es keine Arbeit, die nicht 4000 Franken wert ist. Man sollte den höchstbezahlten Leuten nicht so viel geben, dann bliebe mehr für die Arbeiter. So einfach wäre es.

Das klingt nach der 1:12-Initiative. Würdest du der zustimmen?
Ja sicher. Es geht ja immer höher rauf bei den Bestbezahlten. Die sind vielleicht ein wenig studierter oder so, aber sie sind nicht alle besser. Trotzdem verdienen sie so viel pro Minute wie wir im Monat. Da fragt man sich schon, was die mit dem Geld machen.

 

Johannes Supe

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