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Der Pöstler, das war jemand

Am 4. Februar 2014 ist der Pensionierten-Verein Zürich von Post und Swisscom aufgelöst worden. Sehr zum Leidwesen von dessen Präsidenten Josef Hunold. 14 Jahre lang leitetete er die Geschicke: an den Zusammenkünften wurden Post-Vorlagen erläutert, Abstimmungsvorlagen debattiert, ReferentInnen äusserten sich zu politischen Themen, KünstlerInnen traten auf. Die Weihnachtsanlässe nutzte Hunold jeweils für eine politisch-poetische Botschaft an den Nikolaus. 

Aus Briefträgern wurden Zusteller. Monopol-Lehren wurden sie genannt – jene Berufsausbildungen, die in Bundesbetrieben wie der Post angeboten wurden und dazu führten, dass die Berufsleute anschliessend genau einen möglichen Arbeitgeber hatten.

So wie Josef Hunold, der Mitte der 1950er-Jahre in der Stadt Zürich seine Ausbildung zum uniformierten Postbeamten absovierte. Danach arbeitete er beim Ortsdienst, wo es unter anderem darum ging, die Briefe und Pakete nach Kreis und Strasse zu sortieren. «Damals gab es noch keine Postleitzahlen», erinnert sich Hunold, «Geografiekenntnisse standen deshalb weit oben in der Liste der Anforderungen.»

Und schon sprudeln die Anekdoten aus ihm heraus: «Wissen Sie, dass es in der Schweiz 20 verschiedene Rüti gibt? Und ein Dorf im Schaffhausischen, das Moskau heisst, oder im Bernbiet das Dorf ‹Chäs und Brot›?»

Die Müsterchen kennt er in- und auswendig, sie stammen aus seiner Zeit als Lehrlingsausbildner, jener Tätigkeit, der er 22 Jahre lang nachging. Der Pöstler, das war jemand. Er brachte am Monatsende die Rente, brachte Unternehmen und Privaten Bargeld und kassierte Beträge per Nachnahme ein. Er kannte die Leute und ihre Marotten – denn ohne Stras­sennummern gab es nur eins: alle Namen auswendig kennen! «Heute kann man es sich gar nicht mehr vorstellen: Aber unsere Paketpöstler waren am Monatsende mit bis zu 80 000 Franken in bar unterwegs.»

Verschenkte seine Sammlung

Als Lehrlingsausbildner kam Josef Hunold auch mit Drogenabhängigen in Kontakt. Das Silva-Buch «Rauschgift» von 1973 steht heute noch in seinem Bücherregal. «Das Phänomen der Sucht war für uns völlig neu, wir waren unvorbereitet. Wir mussten uns bei der Stadtpolizei schulen lassen.»

Das schönste Erlebnis seiner Laufbahn sei die nationale Briefmarkenausstellung (NABA) von 1984 in Zürich gewesen: «Ein grossartiger Anlass.» Der Philatelist war untröstlich, als die private Firma Courvoisier in La Chaux-de-Fonds, wo einstmals Briefmarken für 40 Länder gedruckt worden waren, nach England verkauft wurde. Zudem wurde fast gleichzeitig die posteigene Druckerei in Bern geschlossen. Seine zwei eigenen Sammlungen hat er verschenkt: Eine an eine Mädchenschule in Mali, die andere an Benediktiner in Tansania. Von Letzteren erhielt er als Geschenk eine Ebenholz-Schnitzerei.

«Annehmen, was kommt»

Zu Beginn von Hunolds Präsidiumszeit zählte sein Verein 600 Mitglieder, zuletzt 321. Die Mitglieder sterben weg, und: «Die Post hat heute viele Teilzeit- und Temporär-Angestellte, da entsteht kaum Bindung zum Unternehmen.»

Der 77-Jährige gibt sich alles in allem versöhnlich, doch eines wurmt ihn: «Der neue Gesamtarbeitsvertrag ist voller Unbekannten.» Deshalb werde er die Einladung zum Pensioniertenausflug nicht annehmen: «Wenn die Post so sparen muss, wie sie behauptet, dann muss sie mir weder ein Mittagessen noch eine Fahrt mit der Dampfbahn bezahlen!»

Den 90. und letzten Jahresbericht des Vereins beendet Hunold mit einem Rückblick. In den 1950er-Jahren sei es vor allem um Lohnfragen gegangen. Später wurde die Arbeitszeitverkürzung ein Schwerpunkt. Mit den Veränderungen der Arbeitsbedingungen wurden Einreihungsfragen sowie der Aufstieg des uniformierten Personals in höhere Funktionen ein Thema. Später dominierte der Personalmangel. Inzwischen sind typische Post-Berufe verschwunden und im Gegenzug dazu neue Tätigkeiten entstanden. Hunold schliesst mit einem Zitat des Dalai Lama: «Es gibt nichts Spannenderes, als anzunehmen, was kommt.» Ganz heimatlos werden die Post- und Swisscom-RentnerInnen im Raum Zürich ohnehin nicht. Neu treffen sie sich zum Stammtisch.

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