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«Du kannst dich nie hängen lassen»

Man kann zweierlei Porträts von Regula Tanner schreiben. Man könnte über sie als fröhliche, quirlige, bücherverliebte Frau berichten, als wunderbare Gesprächspartnerin mit einem ständigen Lachen in der Stimme. Das wäre sicher lesenswert, hier haben wir uns aber für ein sperriges Gewerkschaftsporträt über eine freie Journalistin, ihren Lohn, ihre Erfahrungen entschieden. 

 

Die Frau hat zwanzig Berufsjahre auf dem Buckel. Seit 1993 arbeitet Regula Tanner als freie Journalistin, verkauft ihre guten Einfälle sowohl an Tamedia wie auch Ringier und andere. Angefangen hat sie als Quereinsteigerin. «Ich war Kindergärtnerin, aber habe immer gewusst, dass ich in dem Beruf nicht alt werde. Dafür schreibe ich zu gern. In einem Urlaubsjahr wollte ich mich dann als Freie versuchen. Zum Glück hat es bei der BZ auch geklappt.»

Für die 1967 geborene Mutter zweier Kinder ist das durchaus ein finanzielles Risiko. Der unsichere, stetig schwankende Lohn macht eine Planung schwierig, die Sprösslinge und ihre Bildung erfordern Geld. «Mein Mann ist Lehrer, hat also ein regelmäs­siges Einkommen. Trotzdem mussten wir immer schauen, dass es reicht. Mein Sohn etwa will Musiker werden und nach Liverpool, was ja auch kostet. Da bist du froh, wenn ein festes Einkommen vorhanden ist.» Trotzdem gilt im finanziellen Bereich: «Wir haben von Anfang an aufgeschlüsselt, wer wie viel verdient. Und es ist mir auch gelungen, hereinzuholen, was ich mir vorgenommen hatte.»

Von Lohn und Freiheit

2500 Franken im Monat. So viel, im Schnitt, bekommt die Journalistin heute. Dafür arbeitet sie zwischen 40 und 60 Prozent, nicht Vollzeit – wie sie betont. Allerdings ist sich Tanner in einem sicher: «Reich wirst du als freie Journalistin nie werden.» Sie sagt das mit einem Lachen in der Stimme.

Für diesen Lohn erkauft sie sich Freiheiten. Etwa ihr Buchportal «Buchperlen.ch», auf dem sie Bücher rezensiert. Oder das Organisieren von Veranstaltungen rund um das geschriebene Wort. Bei beidem kam ihr auch eine Ausbildung zur Buchhändlerin zugut, die sie zwischenzeitlich absolvierte.

Immer super Ware liefern

In ihren Texten schreibt Tanner über Themen, die ihr wichtig sind, verfolgt Ideen, die sich nur schwer in konventionelle Redaktionsarbeit einbetten lassen. «Ich habe eine Riesenlust, so zu schaffen. Lieber etwas weniger Einkommen, aber dafür eine erfüllende Arbeit.»

Ein Produkt ihrer Einfälle ist auch die Serie «Tiere und ihre Menschen», die 2007 im «Kleinen Bund» erschien und für die sie mit dem BZ-Preis für Lokaljournalismus ausgezeichnet wurde. Die Serie ist ein Spiegel der Journalistin. Im Themenfeld um Tiere und menschliche «Wohlfühlgeschichten», wie Tanner sie nennt, hat sie bereits für die «Schweizer Familie», für Ringiers «Landliebe» und Tamedias «Natura» geschrieben. Ihr ist es wichtig, mit den Menschen in Kontakt zu kommen; Telefoninterviews verabscheut sie. «Ich muss raus, sehen, wie die Menschen leben und arbeiten. Das war auch das Schönste an der Arbeit, wenn sich persönliche Bindungen ergeben haben zu den Leuten, über die ich schrieb.» Dafür nimmt sie weite Fahrten auf sich, sucht auch in entlegenen Dörfern nach Menschen – etwa einem Mann mit Seepferdchenzucht.

Aber neben dem Interesse drängt die berufliche Notwendigkeit zum Einsatz. «Du kannst dich nie hängen lassen, sonst bist du weg als freie Journalistin. Und du musst immer super Ware liefern. Es ist einfach wichtig, aufzufallen», so die Bilanz ihrer Berufserfahrung. Auf Redaktionen sei das anders: «Da wirst du nicht mit jedem Text neu geprüft.» Auch führen auf den Redaktionen Zeitnot und Spardruck oft dazu, dass Ort und Personen des Geschehens nicht besucht werden können.

Einmal Festanstellung und zurück

2013 war Regula Tanner selbst in einer Festanstellung, wurde mit 60 Prozent für das Tamedia-Projekt «Natura» angestellt. «Gerade das gesicherte Einkommen ist natürlich viel komfortabler.» Trotzdem ist die Geschichte für sie kein Freudenstück. Nicht mal ein halbes Jahr währte die Arbeit an dem Magazin, das als Tamedia-Gegenstück zum Ringier-Renner «Landliebe» gedacht war. Dabei fing das Naturmagazin gut an. Die erste Ausgabe des Supplements zu den zehn Blättern der Tamedia stiess auf Interesse: «Es gab wirklich viele, gute Reaktionen. Die Leute haben uns gefragt, wo man ‹Natura› abonnieren könne.» Und auch die Arbeit lief gut ab. «Wir waren eben ein kleines Team, aber dafür ein gutes.» Diese gemeinsame Arbeit sei es denn auch, was sie als freie Journalistin wirklich vermisse. Doch dann war Schluss.

Ende August stoppte Tamedia das Projekt ohne grosse Vorwarnung, Tanners Vertrag wurde gekündigt. «Wir waren bereits an der Planungssitzung für 2014. In der wurde uns dann eröffnet, dass es keine nächste Nummer mehr geben würde.» Die zweite Ausgabe befand sich da bereits in der Druckerei. Es fehle an Inserenten, so die Begründung für das plötzliche Ende. Eine wirkliche Chance, sich zu etablieren, hat man dem Projekt jedoch nicht gegeben. Tanner zieht aus dem Vorfall ihr eigenes Fazit: «Wer zahlt, befiehlt.»

Lange traurig ist die geschulte Schreiberin dennoch nicht. «Die Freude ist wiedergekommen. Ich habe schon wieder hundert Ideen, wie es weitergehen könnte.» Und Ideen sind ihre Lebensgrundlage.

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