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Ein Reporter ohne Grenzen

Er fotografierte den Bürgerkrieg in Algerien, hat gegen die Minarett-Initiative protestiert und das Magazin «Sept» lanciert. Ein Gespräch mit Michael von Graffenried, der nach einem langen Auslandaufenthalt erneut syndicom-Mitglied wurde. 

Zum Abschied sagt er spitzbübisch: «Ach, ich habe Ihnen nur Belangloses erzählt …» Dabei weiss der Fotograf Michael von Graffenried genau, dass sein Werdegang geradezu grossartig klingt. In der Öffentlichkeit provoziert er oft mit seiner Arbeit, im Redaktionsbüro des neu lancierten Wochenmagazins «Sept», wo er als Art Director beteiligt ist, erzählt er mit Feingefühl und Humor aus seinem Leben.

Paris, Algier und die Schweiz

«Sept»? «Wie eine Glückszahl, wie die sieben Wochentage, die einen ständigen Neubeginn in sich tragen.» Und wie der 7. Mai 1957, an dem von Graffenried zur Welt kam. «Ein Berner ist treu», sagt er: «Vor 22 Jahren habe ich die Schweiz verlassen. Damals war ich Mitglied von syndicom, die noch Schweizerische JournalistInnen-Union hiess. Ich erinnere mich noch, wie mich damals ein Anwalt namens Moritz Leuenberger beraten hat. Das war natürlich bevor er Bundesrat wurde.»

Für «Sept» pendelt von Graffenried seit einigen Monaten zwischen der Schweiz und Paris. «Aber solange ein gewisser Satz in der Verfassung steht», sagt er wütend, «weigere mich, meine Fotos in der Schweiz zu zeigen.» Damit protestiert er gegen das Minarett-Verbot: «Ich habe mindestens fünf muslimische Freunde mit einem Schweizer Pass. [Anm. d. Red.: dazu gehört Mohammed Soudani, mit dem er 2002 den Dokumentarfilm ‹Guerre sans images – Algérie, je sais que tu sais› produziert hat.] Ich merke, dass die Schweizer häufig nichts über den Islam und die Moslems wissen.» Er hingegen kennt das Thema gut.

Die Chance, ein neues Medium zu schaffen

Von Bern nach Algier, vom Jura nach Paris – seine Karriere verlief fliessend, wie ein Bach, der zum Fluss anschwillt und schliesslich ins Meer vor der normannischen Küste mündet. Als er dort vor einem Jahr mit seinem langjährigen Freund, dem Journalisten Sid Ahmed Hammouche, der ebenfalls bei «Sept» mitmacht, zum Schwimmen ging, beschloss er, das Angebot von «Sept»-Chefredaktor Patrick Vallé­lian anzunehmen. «Sid hat mich mit dem Virus infiziert. Es ist eine Riesenchance, ein neues Medium ohne Vorgaben zu schaffen!» Obwohl von Graffenried an den Erfolg von «Sept» glaubt, ist er sich der Stärke der grossen Verlage bewusst. «Hier kämpft David gegen Goliath! Nur wenn alle mitmachen, werden wir Erfolg haben. Kaufen Sie ein Abo, es kostet nicht mehr als ein Kinoeintritt!» Der Mann ist ein guter Verkäufer, er überzeugt mit Herz und Bauch.

Der Berner aus Paris, der sich immer weigerte, auf Facebook oder Instagram zu gehen, führt nun ein Fototagebuch für «Sept». Soeben hat er sich ein ­Smartphone angeschafft. Dennoch trägt er weiterhin die Widelux um den Hals, eine alte Panoramakamera, mit der er diskret seine grossformatigen Bilder machen kann. Vor kurzem kehrte er mit einer Reihe von Aufnahmen von den Wahlen aus Indien zurück, die auf der Website des neuen Magazins publiziert werden.

Seit der Veröffentlichung seines ersten Fotos in der deutschen Zeitschrift «Stern» ist einige Zeit vergangen. «Es zeigte einen Feuerwehrmann, der neben einem Brand uriniert.» Danach ging es stetig aufwärts. Der junge von Graffenried verkaufte eine Reportage auf Französisch an «L’Illustré» und auf Deutsch an die «Schweizer Illustrierte». So wurde er zum Vermittler zwischen der Romandie und der Deutschschweiz und konnte sehr rasch von seinen Bildern leben.

Ordensritter der Künste

Mit seiner Serie über Parlamentarier, die er in wenig eleganten Posen im Bundeshaus zeigte, fiel er erstmals auf. «Théo Bouchat, damaliger ‹LIllustré›-Chefredaktor, kam zu mir, dem kleinen Amateurfotografen, und bat mich, diese Serie zu realisieren ...»

Zu seinen Auszeichnungen gehören der «Chevalier de l’Ordre des Arts et des Lettres» in Frankreich (2006) und der weltweit angesehene Erich-Salomon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie (2010).

Als Kind konnte Michael von Graffenried nicht stillsitzen. Er musste einfach fotografieren. «Es war wie eine Krankheit», sagt er. Bleibt für einmal zu hoffen, dass er nie gesundet.

sept.info, mvgphoto.com

* Freischaffende Journalistin

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