Artikel

Ein schönes Abenteuer

Die letzte «Letzte»: Der letzte Artikel auf der letzten Seite der letzten Ausgabe der syndicom-Zeitung. Nach 103 Ausgaben ist Schluss, jedenfalls in zweierlei Hinsicht: Der Deutsch- und der Westschweizer Redaktor gaben ihre letzte Zeitung für syndicom in Druck. Im September wird sie zum Magazin. Letzte Gelegenheit auch für einen Blick zurück. 

 

Seit sechseinhalb Jahren liegt «syndicom – die Zeitung» mindestens einmal monatlich in den Briefkästen unserer Mitglieder und Abonnentinnen. Wir hoffen, dass ihr die 103 Ausgaben ebenso gern durchgeblättert und gelesen habt, wie sie die Redaktion im Laufe dieser gewerkschaftlich und journalistisch abenteuerlichen Zeit für euch zusammengestellt hat. Seit der ersten Nummer im Januar 2011 war die Redaktion darum besorgt, euch über aktuelle Geschehnisse in euren Branchen und die Diskussionen auf dem Laufenden zu halten.

Wichtiges Bindeglied

«Ein wichtiges Bindeglied zwischen den Organen und der Basis unserer Gewerkschaft» zu sein, das war unser Auftrag ab der ersten Ausgabe. Wir hoffen, dass wir ihm auf den insgesamt 1482 Seiten, die seit Januar 2011 erschienen sind, gerecht geworden sind.

Bei der Gründung von syndicom hatte die Zeitung auch eine wichtige Brückenfunktion. Sie sollte die Sektoren miteinander verbinden, das Gefühl der Zugehörigkeit zur jungen Gewerkschaft stärken und damit den Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedern fördern. Sie trug zur Identitätsfindung von syndicom bei, indem sie über die Kampagnen der Gewerkschaft berichtete, die Ausein­andersetzungen zwischen den Sozialpartnern öffentlich machte und so den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Stimme gab; und nicht zuletzt auch, indem sie die tiefgreifenden Umwälzungen analysierte, die unsere Branchen derzeit bewegen.

Ein Fenster schaffen

«Zeitungen können die Welt verändern. Nicht ohne Grund wollen die Mächtigen sie besitzen. Eine Zeitung ist zu allem fähig. Sie öffnet das Fenster zur Welt, schafft einen Ort, von dem aus man sich die Dinge besehen kann.» So beschrieb es die französische Schriftstellerin Virginie Despentes in einem Editorial der Zeitschrift «Inrockuptibles». An Veränderungen fehlte es nicht in den letzten Jahren, auch wenn sie nicht immer von uns ausgingen, sondern an die Gewerkschaft und ihre Zeitung herangetragen wurden und uns zur Reaktion zwangen.

Schon in den ersten Ausgaben berichteten wir über den Kampf für die Presse­vielfalt, die durch die Tariferhöhungen der Post noch zusätzlich gefährdet wurde und immer noch wird. Die Zeitung schrieb auch über die beispiellosen Umwälzungen in der Druckindustrie und in den Medien. Die fortschreitende Digitalisierung, die Überkapazitäten moderner Maschinen, die Frankenstärke und der Verzicht der Verleger auf ihr Kerngeschäft führten zur Schliessung zahlreicher Druckereien in St. Gallen, Zürich, Schlieren, Renens, Neuenburg, Yvonand und Freiburg. Die Redaktion stand den kämpfenden Angestellten zur Seite, fühlte den Puls der Mobilisierung, die Hoffnungen und die Rückschläge. Die Jagd nach Gewinnen und unangemessenen Margen trieb die Verleger zu Entlassungen in den Redaktionen bei den Zürcher Landzeitungen, bei «Landbote», «Berner Zeitung», «24heures», «Tribune de Genève», «Le Temps», bis zur Einstellung des Westschweizer Politmagazins «L’Hebdo», um nur die Spitze des schmelzenden Eisbergs zu nennen.

Big Data und Digitalisierung

Unsere Daten sind das Eldorado des 21. Jahrhunderts. Ab April 2015 widmeten wir deshalb verschiedene Hintergrundartikel der Digitalisierung und dem Wandel von Post, Swisscom und Verlagshäusern zu Big-Data-Unternehmen. Wir warnten vor der «Uberisierung» der Arbeitswelt, mit der eine Rückkehr zu Arbeitsbedingungen wie im 19. Jahrhundert droht, weil die Internetplattformen neue Konkurrenzen zwischen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern schaffen und die gesetzlichen Schutzmassnahmen umgehen.

In mehreren grossen Reportagen berichteten wir über die schwierigen Arbeitsbedingungen bei Cablex, Epsilon oder Zalando. Umfragen bei der Post und bei der Swisscom haben auch gezeigt, wie sich die Intensivierung und zunehmende Flexibilisierung der Arbeit auf die Gesundheit auswirken. Verschiedene Artikel befassten sich mit den Subunternehmen und Auslagerungen in unseren drei Sektoren. Besonders stark betroffen von diesem Phänomen waren die Chauffeure von PostLogistics.

Auch über die Infragestellung des Service public durch Angriffe auf die SRG und das Poststellennetz berichteten wir. Der im Oktober 2016 angekündigte Kahlschlag bei der Post kam einer eigentlichen Kriegserklärung an Gewerkschaft und Bevölkerung gleich. Ebenfalls beschäftigt haben uns die Absichten der Rechten, die rentabelsten Teile der ehemaligen Regiebetriebe des Bundes zu privatisieren, und immer wieder ging und geht es um die Verteidigung der Arbeitsbedingungen durch unsere Gesamtarbeitsverträge.

Ein Gemeinschaftswerk

Und schliesslich: Eine Zeitung machen, das heisst Redaktionssitzungen durchführen, Reportagen vor Ort realisieren, Artikel schreiben, redigieren, übersetzen, layouten und korrigieren, passende Bilder suchen, Interviews und Gespräche führen – beispielsweise mit dem hundertjährigen Hans Perny oder dem genialen Zeichner Mix&Remix und vielen anderen. Das bedeutet auch Buch- und Filmtipps, kämpferische, poetische und politische Kolumnen und Kreuzworträtsel. Sie waren für uns – und ich hoffe auch für euch Leserinnen und Leser – Fenster, wie Virginie Despentes sagen würde; Erholungs- und Inspirationsräume, wo wir unsere Batterien wieder aufladen können und die uns einen anderen und weiteren Blick auf die Welt ermöglichen.

Allen, die an diesem gemeinsamen dreisprachigen Abenteuer beteiligt waren, sei hier unser Dank ausgesprochen. Es war uns eine Ehre und Freude, euch in all diesen Jahren zu informieren und zu unterhalten. Unsere Wege werden sich sicherlich wieder kreuzen. Wir wünschen euch einen schönen Sommer und viel Vergnügen mit dieser letzten Ausgabe!

Informiert bleiben

Persönlich, rasch und direkt

Du willst wissen, wofür wir uns engagieren? Nimm Kontakt zu uns auf! Bei persönlichen Anliegen helfen dir unsere Regionalsektretär:innen gern weiter.

syndicom in deiner Nähe

In den Regionalsekretariaten findest du kompetente Beratung & Unterstützung

Jetzt Mitglied werden