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Ein umfassendes Forderungspaket zum GAV und ein klares Nein zu Planspielen der Post-Konzernleitung

© Margareta Sommer

Die rund 300 Delegierten der Konferenz des Sektors Logistik der Gewerkschaft syndicom haben am letzten Samstag, Yves-André Jeandupeux, den Personalchef der Schweizerischen Post, empfangen. Sie übergaben dem Mitglied der Post-Konzernleitung im Berner Kursaal offiziell den Katalog mit den Forderungen für die Verhandlungen zum neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) 2015. syndicom verlangt unter dem Slogan «Alles Gelbe unter eine Dach» faire und gleiche Arbeitsbedingungen für die Angestellten in allen Bereichen und Subunternehmen der Schweizerischen Post.


«Getreu dem Motto ´Umbau ja –Abbau nein´ stellen wir in unserem Katalog einzig realistische Forderungen auf. Und wir erwarten von der Post, dass sie dasselbe tut. Das Gerede von Marktlöhnen muss endlich aufhören. Die Post ist der Markt und der Markt ist die Post. Mit wem will sich denn die Post vergleichen? Soll eine Frontoffice-Mitarbeitende gar mit einer Schuhverkäuferin verglichen werden? Ein Paketbote mit einem Pizzakurier? Es ist Zeit, dass die Postverantwortlichen wieder auf den Boden der Realität des eigenen Unternehmens zurückkommen», schreibt syndicom-Zentralsekretär Kaspar Bütikofer im Vorwort der Broschüre mit den Hauptforderungen zum neuen GAV. Er bringt damit den Unmut vieler Postangestellten über die Planspiele der Konzernleitung auf den Punkt.


syndicom weiss nämlich, wo dem Personal bei der Post der Schuh drückt. Die Gewerkschaft hat ihre Positionen im engen Kontakt mit den Angestellten erarbeitet. Eine breite Umfrage Ende 2011 zeigte auf, wo Handlungsbedarf besteht. Diese Themen wurden mit der gewerkschaftlichen Basis eingehend diskutiert. In Arbeitsgruppen wurden konkrete Lösungsvorschläge entwickelt. Die Branchen-DV Post konnte vor zwei Monaten den Forderungs-Katalog definitiv verabschieden – nach einem umfassenden Vernehmlassungsverfahren bei Post-Mitarbeitenden aus allen Konzernbereichen und aus verschiedenen Regionen. Die Stossrichtung der insgesamt sechs syndicom-Forderungen kann wie folgt zusammengefasst werden:


Ein GAV für den ganzen Konzern

Der GAV muss für alle gelten. Auch für die Angestellten von Subunternehmen. syndicom will nicht, dass die Post den Gesamtarbeitsvertrag einfach unterlaufen kann, indem Dienstleistungen an Dritte ausgelagert werden. Ganz krass geschieht dies heute bei PostAuto: Nur die Hälfte des Fahrpersonals ist bei der PostAuto AG angestellt und untersteht dem GAV. Die andere Hälfte ist bei Subunternehmen, den Postautounternehmern, angestellt. Für sie gilt der GAV nicht. Die Konsequenz: Die Anstellungsbedingungen sind schlechter und die Löhne markant tiefer. Damit muss Schluss sein. syndicom will keine Zweiklassengesellschaft. Wer Dienstleistungen für die Post erbringt, gehört unter den GAV. Zudem fordert syndicom, dass auch die Lehrlinge durch den GAV geschützt sind.


Faire Löhne dank fairem Lohnsystem
Immer häufiger reicht der Lohn nicht mehr zum Leben. Die Prekarisierung nimmt auch in der reichen Schweiz zu. Bei der Post darf diese bedenkliche Entwicklung nicht Einzug halten! Deshalb fordert syndicom einen Mindestlohn von 52‘000 Franken oder 4000 Franken im Monat (bei 13 Monatslöhnen). Die Anforderungen an ein neues Lohnsystem sind hoch. Es muss gesamtbetrieblich gerecht, transparent und diskriminierungsfrei sein. Auch müssen die Leitplanken der bisherigen Lohnsystematik (Funktion, Erfahrung, Leistung und situative Anteile) eingehalten werden. Schliesslich soll das Lohnsystem praxistauglich und in der Anwendung nachvollziehbar sein.


Weniger Stress und transparente Arbeitszeiten

Die Post will zeitgemässe Anstellungsbedingungen. Die 5-Tage-Woche ist zeitgemäss. Sie wird heute fast überall praktiziert. Selbst bei der SBB, wo rund um die Uhr gearbeitet wird, besteht die betriebliche 5-Tage-Woche. Sie lässt sich einfach umsetzen: Jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin hat jährlich Anrecht auf 114 freie Tage (zwei freie Tage pro Woche: 52 x 2 = 104 plus 10 Feiertage). Mit dieser einfachen Formel kann auch in Bereichen, wo am Samstag oder an Feiertagen gearbeitet wird, die 5-Tage-Woche umgesetzt werden.


Wer heute Beruf und Familie unter einen Hut bringen will, ist oftmals auf Teilzeitarbeit angewiesen. Es ist deshalb sehr wichtig, dass die Post die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit unterstützt. Aber: Teilzeit soll freiwillig sein. Und: Teilzeitarbeitende sollen nicht benachteiligt werden. Heute sind sie nur schlecht geschützt. Diese Lücke muss der GAV schliessen. Wer Teilzeit arbeitet, soll den Vollzeitbeschäftigten gleichgestellt werden, indem Vorschriften über die Höchstarbeitszeit und die Limitierung der Überstunden pro rata angewendet werden. Darüber hinaus soll die heute geltende wöchentliche Arbeitszeit von 41 Stunden um eine Stunde reduziert werden, um die Work-Life-Balance der Mitarbeitenden zu fördern.


Mehr Mitwirkung am Arbeitsplatz

Ein Gesamtarbeitsvertrag ist nur so gut, wie er auch eingehalten und respektiert wird. Damit ein GAV korrekt umgesetzt wird, braucht es ein unabhängiges Vollzugsorgan. Der heute noch gültige GAV krankt in diesem Punkt. Es gibt keine effiziente Durchsetzung der GAV-Bestimmungen. Damit der neue GAV im weit verzweigten und komplex h organisierten Postkonzern einheitlich und korrekt angewendet wird, muss ein paritätisches Vollzugsorgane mit klaren Entscheidkompetenzen geschaffen werden. Die Mitwirkungsorgane stellen zudem auf allen Stufen sicher, dass die Mitspracherechte ausgeübt werden können.


Die Bildungsarbeit ist ein zentrales Element gewerkschaftlicher Arbeit. Diese Arbeit soll im GAV stärker gewichtet werden: Allen MitarbeiterInnen soll jährlich fünf Tage für Bildung freigegeben und das Bildungsangebot soll durch den Solidaritätsfonds verbilligt werden.


Arbeitsplatzsicherheit und Kündigungsschutz
«Hire and fire» ist der Wunschtraum vieler Manager – auch bei der Post. Das Arbeitsrecht setzt dem nur schwache Schranken. Die Post aber kannte bisher einen guten und ausgebauten Kündigungsschutz. Zu Recht: Denn viele Mitarbeitende haben noch die Monopolausbildung oder arbeiten in Regionen mit einem schwachen Arbeitsmarkt. Weil sich diese Ausgangslage auch unter dem neuen Recht nicht ändern wird, muss der Kündigungsschutz im neuen GAV weiter festgeschrieben werden. Die hohe Arbeitsplatzsicherheit bei der Post muss ganz allgemein erhalten werden, indem der fortschrittliche Sozialplan unverändert weitergeführt wird.


Der GAV profitiert davon, dass sich Mitarbeitende am Arbeitsplatz für seine einwandfreie Anwendung einsetzen. Wer sich in Personalkommissionen oder anderen Gremien der betrieblichen Mitwirkung betätigt, soll dies ohne Druck und Angst tun können. Die sozialpartnerschaftliche Mitwirkung im Betrieb funktioniert nur, wenn sie auf Augenhöhe geschieht. Damit kein Abhängigkeitsverhältnis entsteht, braucht es einen absoluten Kündigungsschutz für gewählte Mitglieder von Mitwirkungsorganen und gewerkschaftlichen Gremien.

Für eine attraktive Post mit starken Sozialleistungen
Die Gesellschaft hat sich weiterentwickelt: Frauen und Männer wollen gleichberechtigt der Erwerbsarbeit nachgehen. Das muss der neue GAV berücksichtigen. Es braucht ausreichend Kinderbetreuungseinrichtungen sowie Zuschüsse an Krippen- und Hortplätze. Es braucht aber auch familienfreundliche Arbeitszeiten, die genügend Flexibilität für die Betreuungspflichten lassen. Es braucht eine Gleichbehandlung der Teilzeit- mit den Vollzeitmitarbeitenden. Und es braucht einen wirksamen Schutz gegen den bei der Post weit verbreiteten Zwang, endlos Überstunden zu leisten.


Das Modell Altersteilzeit ist eine perfekte Lösung für den Ausgleich und den Wissenstransfer zwischen den Generationen. Ältere MitarbeiterInnen sollen ab 55 Jahren die Möglichkeit erhalten, ihr Pensum zu reduzieren. So kann ein schrittweiser Rückzug aus dem Berufsleben organisiert werden. Besonders Mitarbeitende mit anstrengender und körperlicher Arbeit erhalten die Möglichkeit, ihre Belastung zu reduzieren. Damit dieses Modell überhaupt möglich wird und nicht zu einer Armutsfalle im Alter wird, muss die soziale Sicherung gewährleistet werden. Beispielsweise indem die Sozialversicherungsbeiträge (AHV, Pensionskasse etc.) auf der Grundlage einer Vollzeitbeschäftigung entrichtet werden. Das freiwerdende Beschäftigungsvolumen dient im Gegenzug dem Berufseinstieg jugendlicher Mitarbeitender und besonders von LehrabgängerInnen.


Der Forderungskatalog von syndicom zeigt auf, dass die Gewerkschaft Mitte August gut vorbereitet in die Verhandlungen einsteigen wird. syndicom erwartet nun aber, dass auch die Post ihre Positionen transparent auf den Tisch legt. Nur so kann ein fairer und sozialpartnerschaftlicher Dialog geführt werden.

 

6 Forderungen für den GAV der Zukunft (PDF)

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