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Heiterer Einstieg – düstere Aussichten

Am 24. Juni wurden in Bern die Verhandlungen zur Erneuerung des Gesamtarbeitsvertrags (GAV) für die grafische Industrie aufgenommen. Bereits konnten zwei erste Erfolge erzielt werden. Wenn wir aber den absurden Forderungen von Viscom entgegentreten wollen, müssen wir uns auf einen langen und harten Kampf gefasst machen.

 

Verhandlungsbeginn für die Erneuerung des GAV für die grafische Industrie war offiziell der 24. Juni. Bis zum 4. November sind vier weitere Verhandlungsrunden vorgesehen, bei denen eine für beide Parteien tragbare Übereinkunft gefunden werden soll.

In der Regel benützen die Delegationen das erste Treffen für eine wirtschaftliche Analyse des Sektors und eine Auslegeordnung der jeweiligen Forderungen. Diesmal ging es aber noch vor diesen beiden Punkten um einen Konsens zur Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) des GAV sowie zum Reglement der beruflichen Aus- und Weiterbildung.

Ein erster positiver Schritt

Der Morgen begann überraschend positiv: Bildung und Weiterbildung werden auch in Zukunft von unserer Gewerkschaft im Rahmen des Helias-Programms durchgeführt. Seit Jahren hält syndicom für die Mitglieder ein breites Kursangebot im beruflichen Bereich und darüber hinaus bereit. Der zweite, ebenso wichtige Abschluss an diesem zunächst so friedlichen Morgen betraf das Reglement für die Durchführung und Kontrolle des GAV: ein zentraler Bestandteil der Allgemeinverbindlich­erklärung. In diesem Reglement werden die Kontrollen in den Betrieben, die Sanktionen im Falle der Nicht­einhaltung und die Finanzierung des GAV festgelegt.

AVE anerkannt

Bekanntlich hat Viscom den AVE-Prozess letztes Jahr entgegen allen früheren Vereinbarungen abgebrochen. Jetzt gab der Unternehmerverband ohne Zögern seine Zustimmung zur Allgemeinverbindlicherklärung – vorausgesetzt, die GAV-Verhandlungen kommen zu einem positiven Abschluss. Wir betrachten das als Erfolg und verdienten Lohn für die Hartnäckigkeit der Gewerkschaften: syndicom und Syna hatten den festen Willen, diese für den AVE-Prozess unerlässliche bürokratische Hürde noch vor Aufnahme der eigentlichen Vertragsverhandlungen zu überwinden. Denn wir wollen einen GAV, dem sämtliche Druckunternehmen in der Schweiz unterstehen und nicht nur die Unternehmen, die im Viscom als Mitglieder zur Einhaltung des GAV verpflichtet sind. Jetzt hoffen wir, dass wir den Schwung dieser ersten positiven Ergebnisse beim Kampf für gute Arbeitsbedingungen auch in die Zukunft mitnehmen können. Der Verwirklichung dieses wichtigen Zieles, das unsere Gewerkschaft schon lange verfolgt, steht nun nichts mehr im Wege – vorausgesetzt, dass die GAV-Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden können.

Bedingungen wie in China

Noch vor der Präsentation seines Forderungskatalogs versicherte Viscom-Präsident Thomas Gsponer mit einem Seitenhieb auf einen Artikel in der syndicom-Zeitung vom 15. Mai, dass der Arbeitgeberverband in der grafischen Industrie keineswegs chinesische Arbeitsbedingungen einführen wolle. Aber wie soll man dieser Aussage Glauben schenken, wenn gemäss den Forderungen von Viscom die Normalarbeitszeit in der Branche auf 42 Wochenstunden angehoben werden soll, auch im Zeitungsdruck? Wenn die Zuschläge für Nachtarbeit auch für diese Kollegen auf 50 Prozent gesenkt werden sollen – nachdem sie schon im Akzidenzdruck heruntergefahren wurden? Wenn die Zuschläge für Personen, die ihren Arbeitsplatz während der Pause nicht verlassen können, ebenso gestrichen werden sollen wie die Mahlzeitenzulagen? Wenn die Mindestlöhne für nicht qualifiziertes Personal aufgehoben und die Krankentaggelder reduziert werden sollen? Und wenn ein Krisenartikel, der den GAV total aushebelt, eingeführt werden soll – in einer Branche, die sich seit Jahren und wohl auch in Zukunft in einer Dauerkrise befindet? Was würden diese und all die weiteren Abbauvorschläge von Viscom anderes bewirken als eben dies: «chinesische Zustände»?

Wenn dann noch unsere einzige Forderung, die Einführung eines sozialverträglichen Frühpensionierungsmodells, als viel zu teuer abgekanzelt wird, dann stehen wir, wenn noch nicht in China, so doch eindeutig schon im Zollhäuschen. Dies können wir auf keinen Fall akzeptieren!

Kampfwillen zeigen!

Die Stimmung in unserer Delegation war nach dem ersten Treffen einerseits positiv, aber gleichzeitig geprägt von Kampfwillen. In erster Linie wollen wir den aktuellen GAV gegen die schamlosen Attacken verteidigen; zweitens wollen wir dem Frühpensionierungsmodell zur Durchsetzung verhelfen.

Die massiven Angriffe von Viscom richten sich vor allem gegen das Personal, das Nachtschicht arbeitet, insbesondere im Zeitungsdruck. Daneben würde eine Aufhebung des Mindestlohns für nicht qualifiziertes Personal dem Lohn­dumping in der gesamten grafischen Industrie Tür und Tor öffnen, ganz besonders in den Randregionen. Die Einführung der 42-Stunden-Woche würde zu Entlassungen in all jenen Druckereien führen, die heute schon kaum genügend Aufträge haben, um 40 Wochenstunden auszulasten.

Keine Frage: Wir müssen zusammenstehen und Druck aufbauen. Vor uns stehen Monate intensiver Arbeit.

Wir sind bereit.

 

Angelo Zanetti, Zentralsekretär Grafische Industrie

Alle Infos (Frühpensionierungsmodell, Viscom-Forderungen, Hintergründe) im Dossier GAV 2016

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