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Meinungsvielfalt sichern

Ein Positionspapier der SP zur Medienpolitik stösst in der Berichterstattung vielfach auf pauschaleAblehnung. Ein deutlicher Hinweis, wie eintönig die Schweizer Medienlandschaft zu werden droht. Die Meinungsvielfalt muss gefördert werden. 

 

Das Thema war kein journalistischer Renner. Dennoch war die Pressekonferenz gut besucht, bei der zu Beginn der Sommerpause die SP Schweiz ihre Vorstellungen «Für ein demokratiegerechtes Mediensystem» vorstellte. Vielleicht hat das berühmte «Sommerloch» etwas geholfen. Offensichtlich hat die SP mit ihren Vorschlägen aber auch ein unerwartet heikles Thema berührt. In den Medien stiessen die Thesen auf empörte Ablehnung, oft mit abstrusen Argumenten.

So warnt Daniel Foppa, «Tages-Anzeiger», sorgenvoll vor einem «Schritt Richtung staatlich geregelter Medien». Markus Häfliger, NZZ, entdeckt im SP-Papier «verräterische Sätze» wie: «Medienpolitik ist im Kern stets auch Gesellschaftspolitik … Die Menschheit braucht Alternativen zum neoliberalen Status quo.» Häfliger unterstellt der SP die Absicht, «die Medien an den staatlichen Tropf zu hängen.»

Der Waadtländer SP-Nationalrat, Jean Christophe Schwaab, versucht die Gemüter in der Romandie zu beruhigen: «Wir wollen keine neue ‹Praw­da› schaffen.» Gerade die Entwicklungen im Welschland zeigen aber doch, wie notwendig ein «demokratiegerechtes Mediensystem» wäre. In dieser Region kontrolliert der Zürcher Medienkonzern Tamedia nach dem Kauf von Edipresse im Printmarkt einen Anteil von rund 70 Prozent und hat damit die Stellung eines Quasimonopols.

Am Tropf des Staates … Staatliche Mittel … Staatshörige Medien … Mit solchen Reizwörtern malen die Kritiker des SP-Papiers das Gespenst von Staatszensur an die Wand. Haben die Journalisten das 15-seitige Papier gelesen? Die SP lehnt Steuergelder ausdrücklich ab und verlangt eine brancheninterne Finanzierung der Presseförderung. Gefordert wird ein Systemwechsel von der indirekten Subventionierung (ermässigte Posttarife und Mehrwertsteuer) zu einer direkten Presse- und Journalismusförderung.

«Kollektives Stockholm-Syndrom»?

Im Einzelnen denkt die SP an eine Abgabe auf Werbeeinnahmen der Medienunternehmen oder an eine Datenverkehrs­abgabe für Webdienste (wie Google), die von journalistischen Leistungen Dritter profitieren. Fördergelder sollen wie im Radio- und Fernsehgesetz an die Erfüllung von Leistungsaufträgen – Relevanz, Vielfalt, Fairness und Transparenz – gekoppelt werden. Ein unabhängiges Gremium soll dies prüfen.

Was ist an diesen Vorschlägen so revolutionär? Als einsame Stimme in der Wüste vermutet Daniel Binswanger («Das Magazin»), die Medienbranche sei als Reaktion auf ihre Krise einem kollektiven Stockholm-Syndrom erlegen: «Wer Vorschläge macht, die der gebeutelten Branche ein bisschen Luft verschaffen könnten, wird umgehend zum Feind erklärt.» Die Marktdynamik werde gerade von jenen JournalistInnen und Verlegern inbrünstig bejaht, die schon lange in ihrer Geiselhaft stecken.

Auch wenn die Grossverleger es leugnen: die Schweizer Medienlandschaft trocknet immer mehr aus. Die Printmedien verlieren Auflage und Anzeigenkundschaft. Bisher haben die Verlage selber keine Lösungen gefunden, wie sie diese Einnahmeausfälle wieder wettmachen können. Pay-Walls für Online-Angebote können die Einbussen nicht ersetzen. Die Werbewirtschaft, die jahrzehntelang den Journalismus finanziert hat, braucht den Umweg über den Journalismus nicht mehr, weil sie über nichtjournalistische Internetplattformen, das Fernsehen und Corporate Publishing ihre Kundschaft direkter erreichen kann.

Die SP fordert für die direkte Presseförderung jährlich zwischen 100 und 200 Millionen Franken. Für den Mediensoziologen Kurt Imhof wäre 1 Milliarde Franken realistischer. Imhof denkt an Prognosen, die davon ausgehen, dass der Journalismus einmal ohne Werbung finanziert werden muss. In seinem Bericht zur Mediensituation in der Schweiz kommt auch der Bundesrat zu einem bemerkenswerten Schluss: «Es besteht Anlass zur Befürchtung, dass das freie Spiel der Marktkräfte allein das erwünschte Resultat einer vielfältigen, qualitativ ausreichenden Medienlandschaft nicht zu gewährleisten vermag.» Landesregierung und SP sind sich in dieser zentralen Diagnose einig.

Die Medienkrise gibt aber nicht nur «zur Befürchtung» (Bundesrat) Anlass, sondern auch zu Hoffnungen. Zum Beispiel: Ein Journalismus, frei vom Gängelband der Werbung und nicht mehr eingebunden in «das freie Spiel der Marktkräfte», könnte sich ja auch einmal als Chance erweisen. Das Plädoyer der SP «Für ein demokratiegerechtes Mediensystem» hat eine überfällige Debatte angestossen.

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