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Tagungsort Moskau führte zu Boykotten

Der Ort der Jahrestagung der Europäischen JournalistInnen-Föderation vom 21. November war umstritten. syndicom lancierte an der Konferenz eine Erklärung gegen die Kriegspropaganda in Russland und der Ukraine. 

 

Russland hat im Westen eine schlechte Presse. Präsident Putins Politik in der Ukraine steht am Pranger. So überraschte der Entschluss der Europäischen JournalistInnen-Föderation (European Federation of Journalists, EFJ), ihre Jahres­tagung zum Thema «Journalismus in Zeiten von Konflikten» ausgerechnet in Moskau abzuhalten. Mehrere der rund 60 Mediengewerkschaften und -Verbände, die in der EFJ zusammengeschlossen sind, haben die Konferenz aus Protest boykottiert. Nicht nach Moskau kamen u. a. die Mediengewerkschaften aus der Ukraine, aus Polen und Tschechien sowie der DJV, die deutsche Gewerkschaft der Journalistinnen und Journalisten.

Der Generalsekretär der EFJ Ricardo Gutierrez rechtfertigte die Wahl Moskaus als Tagungsort: «Wir gehen dorthin, wo es Probleme gibt.»

Schwindende Medienfreiheit in Russland

Fragen gab es auch zur einladenden Russian Union of Journalists (RUJ): Wie unabhängig ist die Journalistengewerkschaft in einem Land, in dem viele Gewerkschaften «sowjetisch» geprägt, also vom Staat abhängig sind und die Rechte der ArbeiterInnen nicht vertreten können? Doch die RUJ überraschte durch ihre Kreml-kritische Haltung. Sie verurteilte in schärfster Form die «rasch schrumpfende Medienfreiheit in Russland». Zahlreiche neue Gesetze zielten darauf ab, die wenigen noch unabhängigen Medien und Internetportale unter staatliche Kontrolle zu bringen. Die RUJ distanzierte sich auch vom Informationskrieg in Russland und in der Ukraine: «Journalisten sind keine Soldaten». Wegen ihrer unabhängigen und kritischen Haltung, so stellte die RUJ fest, werde sie von Regierungsmitgliedern scharf attackiert.

Die 50 000 Mitglieder zählende Gewerkschaft ist erst vor zwei Jahren der EFJ beigetreten. «Wir mussten in der Gewerkschaft zuerst Bedenken überwinden, die EFJ sei nur ein Anhängsel der EU-Bürokratie», berichtet die Pressesprecherin der RUJ, Nadeshda Azhgikhina. Auch die Medien­gewerkschaften von Weissrussland, der Ukraine und Aserbaidschans sind der EFJ beigetreten. In Moskau konnten die westeuropäischen JournalistInnen erfahren, dass in Russland nicht einfach eine vom ­Regime trockengelegte Medienwüste herrscht. «In meinem Land gibt es auf lokaler Ebene immer noch viele kleine Oasen von Glasnost [Transparenz],» berichtet Azhgikhina. Allerdings zahlen die Journalistinnen und Journalisten einen hohen Preis. Dutzende wurden in den letzten zwanzig Jahren ermordet.

Gegen Kriegspropaganda

Auf Initiative von syndicom wurde in Moskau einstimmig eine Motion verabschiedet, welche die mediale Kriegspropaganda in Russland und in der Ukraine verurteilt. Die Erklärung solidarisiert sich mit den Medienschaffenden in beiden Ländern, die sich für ihre Unabhängigkeit wehren. Von der Desinformation in der Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt sind alle Medien in der übrigen Welt betroffen. Eine zweite, ebenfalls einstimmig unterstützte Resolution fordert von den Verlegern in der Schweiz die Aufnahme von GAV-Verhandlungen. Beide Resolutionen können auf www.syndicom.ch/pressefreiheit nachgelesen werden.

* syndicom-Delegierter an der Konferenz, war u. a. «Tagi»-Korres­pondent in Moskau

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