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Verrückte, gefährliche Reise

Ich stöbere leidenschaftlich gern in Buchhandlungen und lasse mich verführen. Ab und zu gibt es auch Bücher, die ihren Weg selbst zu mir finden. Wäre «Der Rote Norden» nicht als Lese-Exemplar auf meinem Wohnzimmertisch gelandet, hätte ich das Buch bestimmt nicht gelesen. Und wäre um diese spezielle Leseerfahrung ärmer.

Es ist das Romandebüt der 63-jährigen Franziska Häny. Sie lebt und arbeitet in Zürich, mehr weiss ich nicht über sie. Aber dass sie Lust hat, an Rätseln reiche Geschichten zu erzählen, ist spürbar! Hauptperson des Romans ist die nicht mehr ganz taufrische Sophie, verheiratet und seit Jahren im ewig gleichen Schweizer Alltagstrott festgefahren. Doch eines Mittwochnachmittags erhält sie einen Telefonanruf ihres Bruders – der eigentlich längst verstorben ist. Er bittet sie, zu ihm in den Norden zu fliegen. Und tatsächlich verlässt sie Haus und Heim und fährt los. Zuerst zu ihrer auch totgeglaubten Tante: Eine wunderliche, aber schöne Begegnung. Und als Sophie wenige Tage später im hohen Norden ankommt, empfängt sie dort ihr Bruder Martin. Und eine verrückte, gefährliche Reise durch die roten Wälder beginnt ... Der Roman hat etwas Märchenhaftes, Versponnenes, ist aber auch die Geschichte einer Frau, die ihr Leben kritisch betrachtet und verschollen geglaubte Energie in sich entdeckt. Schon auf der ersten Seite des Buches sagt Sophie: «Ich bin überall zu dick. Überall.» Es ist klar, dass sie sich nicht nur in ihrem Körper unwohl und eingezwängt fühlt, sondern in ihrer Art zu leben. Sie erwacht zu neuem Mut und sprengt schliesslich auch das Korsett ihrer Ehe.

Häny hat einen sehr eigenständigen Schreibstil, den sie konsequent durchzieht. Es sind kurze, fast schroff hingeworfene Sätze. Herb ist der Hauch von Poesie, trotzdem sind die Beschreibungen des «Roten Nordens» stimmungsvoll. Die Autorin versteht es, Spannung zu erzeugen. Leider erinnern die letzten Kapitel an einen James-Bond-Film. Das wäre für mich nicht nötig gewesen …

Tipp: Wer Lust auf die Lektüre hat, aber Flaute im Portemonnaie, kann sich das Buch als eBook bestellen (ca. Fr. 12.–).

Christine Hunziker ist Buchhändlerin und Museums­mitarbeiterin.

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