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Wenn Typografie zu Punk wird

Der 25. Tag der Typografie hielt das Versprechen, neue gestalterische Impulse zu vermitteln. Ein Jubiläumsanlass mit harten Beats, fröhlichem Salsa und einem neugierigen Bonbon.

 

Bilder

 

Besondere Ereignisse wie Jubiläen werden gerne mit einem Feuerwerk zelebriert. So auch am 16. November in Bern, wobei das Feuerwerk für einmal nicht aus Raketen und Vulkanen, sondern aus Wort, Bild und Ton bestand. Der Anlass des Spektakels war der 25. Tag der Typografie und manchmal hatte man das erfrischende Gefühl, dieser Tag stecke noch immer in der Pubertät, denn er war streckenweise frech, bunt und laut. Der schrillste Beitrag stammte von Grzegorz Laszuk aus Warschau und stellte das Schlussbouquet dar. Der Grafikdesigner und Organisator von städtischen Kulturveranstaltungen bezeichnet sich als Aktivist. Er schrie, trommelte und sang, wie es wohl in den letzten 24 Veranstaltungen noch nie geschehen war. Sein mit Selbstironie gespickter Vortrag kam ohne ein einziges live gesprochenes Wort aus. Umso mehr skizzierte er den Zusammenhang von Rhythmen, Lauten und Farben einerseits und Design oder Plakatgestaltung andererseits. Ein experimenteller Beitrag mit Punkrock und Politik, der wohl bei einigen der zahlreichen Besucher noch länger nachhallte. Diese wurden übrigens gleichzeitig Zeugen eines Mordes, denn Grzegorz Laszuk behauptete: «I killed the polish school of poster» – wobei er aber sogleich relativierte «but it was an accident». Die Darbietung ermöglichte einen Überblick über seine Arbeiten, auch wenn in dieser raschen Abfolge von Bildern die Details leider etwas zu kurz kamen.

 

 ©Roger Emmenegger

 

Hinter den Palmen

Friedlicher und mit kubanischem Salsa gewürzt war der Beitrag von Giselle Monzón aus Kuba. Gleich zu Beginn machte die 34-jährige Grafikdesignerin klar, dass sie «hinter den Palmen» lebe. Als sie später den häufigen Mangel an Papier oder Druckfarben in Kuba erwähnte, kam man in Versuchung, die Aussage mit «hinter dem Mond» zu übersetzen. Doch die Kreativität ihrer fantasievollen Plakate beweist das Gegenteil und übertrifft etliche «westliche Künstler». Mit Witz und ohne Scheuklappen gestaltet sie mit ihrem Team vor allem kulturelle Plakate für kubanische und internationale Kulturinstitutionen. Es zeigt sich, dass technische Einschränkungen einen eigenständigen gestalterischen Ausdruck sogar fördern können. Die Plakate strahlen eine Unverwechselbarkeit aus, die bei uns mit viel technischem Aufwand angestrebt (und häufig trotzdem nicht erreicht) wird.

Gegen den Strom schwimmen

Eine nächste Leuchtrakete im Himmel der visuellen Kommunikation stellte Mario Lombardo aus Berlin dar. Er sieht sich als Übersetzer von Gedanken und versucht stilistische und disziplinäre Grenzen zu überwinden, gemäss seinem Motto «Zerstören und Erschaffen». Neues könne nur mit dem Mut zur Veränderung entstehen. Daher empfiehlt er eindringlich, nicht an Bestehendem festzuhalten.
Auch Janine Stratmann und Philipp Graf vom «Bon Bon Büro» kommen aus Berlin und auch sie empfehlen das Schwimmen gegen den Strom. Doch die Regeln müssen zuerst beherrscht werden, bevor man sie brechen kann und soll. Am Tag der Typografie plädierten sie John Cage folgend für den Trampelpfad der Neugierde. In ihrer täglichen Arbeit versuchen sie, gestalterische Bezüge zur Architektur zu schaffen und in Buchgestaltungen zu übernehmen.

Identität und Differenz

Bodenständiger wirkte daneben das neue Erscheinungsbild der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, das die Prorektorin Kommunikation Andrea Tinnes vorstellte. Mit der eigens dafür entwickelten Schrift «Burg Grotesk», mit einem dynamisch anwendbaren System und farbigen Gestaltungselementen wird eine visuelle Identität geschaffen ohne die Tradition aufzugeben. Unter dem Motto «Identität und Differenz» überbrückt der neue visuelle Auftritt den Spagat zwischen dem optisch mittelalterlich wirkenden Campus und einer modernen Designhochschule. Dank den relativ engen Rahmenbedingungen des neuen Corporate Identity war es ein gutes Beispiel für die gestalterischen Aufgaben, die den Berufsalltag der Gestalterinnen und Gestalter prägen. Denn dort zeigt sich, dass Typografie oft fern von Feuerwerk, Kunst und Punk liegt – aber trotzdem Spass machen kann.

Patrick Bachmann

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