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Zwei Bratpfannen pro Tag?

Martin Scheidegger vom syndicom-Rechtsdienst hat die GAV-Verhandlungen mit der Post als Rechtsberater begleitet. Hier beantwortet er vier arbeitsrechtliche Kernfragen über die Verkaufsziele als Weisung des Arbeitgebers.

 

1. Sind Zielvorgaben in der Form von Verkaufszielen, wie sie die Post ihren Angestellten auferlegt, zulässig?

Grundsätzlich sind Zielvorgaben nach schweizerischem Arbeitsrecht zulässig. Sie stellen eine Form der Ausübung des arbeitgeberischen Weisungsrechts dar. Der Arbeitgeber ist befugt, einseitig den Inhalt des Arbeitsvertrags zu konkretisieren. Das Weisungsrecht räumt dem Arbeitgeber aber nicht die Befugnis ein, den Inhalt des Vertrags einseitig abzuändern.

2. Gilt das Weisungsrecht schrankenlos?

Das Weisungsrecht findet seine Schranken dort, wo übergeordnete Rechtsgüter tangiert werden: im öffentlichen Recht etwa bei den Schutzbestimmungen des Arbeitsgesetzes zu Arbeitszeit, Ruhezeit und dergleichen, ähnlich im Strafrecht und im Strassenverkehrsgesetz, in den Normen des Privatrechts. Rechts- oder sittenwidrige Weisungen müssen nicht befolgt werden.

Das Weisungsrecht wird sodann durch das Persönlichkeitsrecht der Angestellten und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers beschränkt. Ferner ergeben sich Grenzen aus den konkreten Arbeitsverträgen, wobei die Abgrenzung zwischen berechtigter Weisung und unzulässiger einseitiger Vertragsänderung auch einmal strittig oder unklar sein kann. Im Prinzip gilt: Wer laut Vertrag für die Ausübung eines bestimmten Berufes angestellt ist, muss nicht die Weisung befolgen, dort künftig einen anderen Beruf auszuüben. Dies gilt auch für zusätzliche Aufgaben, welche durch Weisung übertragen werden sollen: Da die Zielvorgaben nicht von einem Konsens der Vertragsparteien getragen werden, ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, Ziele aus­serhalb der ursprünglich vereinbarten Tätigkeit vorzugeben.

3. Die Zielvorgaben der Post belegen die Mitarbeitenden mit zusätzlichen Aufgaben wie Eröffnung von Postkonti, Vermittlung von PostFinance-Beratungen, Abschluss von Reiseversicherungen und Mobiltelefon-Abos. Werden die Schranken überschritten?

Mehr als fraglich erscheint, ob sich insbesondere die Vorgaben betreffend Abschlüsse von Reiseversicherungen und Handy-Abos noch als zulässige Konkretisierungen des Vertragsinhaltes bezeichnen lassen oder ob es sich nicht schon um eine unzulässige einseitige Vertragsänderung handelt, was die genannten Schranken überschreiten würde. Letztlich lässt sich diese Frage aber nur im Hinblick auf einen konkreten Arbeitsvertrag beantworten. Im Einzelfall wäre dann auch zu prüfen, ob die Zielvorgaben zu einer Überforderung der Angestellten und damit zu Stress und gesundheitlichen Problemen führen. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gebietet den Schutz der Gesundheit der Arbeitenden. Weisungen, welche die Gesundheit beeinträchtigen, verletzen die Fürsorgepflicht und können eine Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers begründen.

4. Welche Konsequenzen darf ein Nichterreichen der Verkaufsziele für das Postpersonal haben?

Definitionsgemäss schulden die Arbeitnehmenden ein sorgfältiges Tätigwerden, nicht aber einen bestimmten Arbeitserfolg. Die Möglichkeit der Zielvorgabe stösst an Grenzen, wenn damit eine Pflicht der Arbeitnehmenden zur Herbeiführung eines bestimmten Arbeitserfolgs begründet werden soll. Lautet die Vorgabe etwa auf Verkauf einer bestimmten Anzahl Produkte oder auf Abschluss einer bestimmten Anzahl von Rechtsgeschäften, ist das der Fall.

Solche Zielvorgaben sind aber nicht als unzulässig abzutun, sondern als «Wunsch» des Arbeitgebers zu qualifizieren. Die Zielerreichung kann sich auch dann auf einen allfälligen Leistungslohn auswirken, wenn sie keine Verpflichtung schafft, die postulierte Verkaufszahl zu erreichen. Die Vorgabe ist verpflichtend insofern, als die angewiesenen Mitarbeitenden ihre Anstrengungen darauf auszurichten haben, das gewünschte Ergebnis zu erreichen.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Frage nach allfälligen Konsequenzen der Unterschreitung der Vorgaben zu verstehen: Die blosse Unterschreitung der Verkaufs- oder Abschlusszahlen ist keine Pflichtverletzung und darf nicht sanktioniert werden. Der Arbeitgeber ist aber berechtigt, in Gesprächen eine Evaluation der Ursachen durchzuführen. Nur wenn die Evaluation ergibt, dass die Unterschreitung der Vorgaben auf eine Verletzung der Sorgfalts- oder Treuepflicht des Arbeitnehmenden zurückzuführen ist, dürften arbeitsrechtliche Sanktionen erfolgen.

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