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Zweite Verhandlungsrunde zum GAV der grafischen Industrie: Angriffe auf Wochenarbeitszeit und Mindestlöhne

Die zweite Verhandlungsrunde zum GAV der grafischen Industrie begann mit einem harten Brocken: Mit der Viscom-Forderung nach einer 42-Stunden-Woche. Unter der Tagesleitung von Viscom-Präsident Michael Wasescha erklärten die Unternehmer, dass sie so der Strukturkrise begegnen und Kapazität für Investitionen schaffen wollen. Oder, klarer ausgedrückt: Für Viscom wäre das die bessere Lösung, als denselben Effekt per Lohnkürzungen um 5% zu erreichen (Letztere standen denn auch nicht zur Diskussion).


Für syndicom und Syna ist diese Forderung absurd: zwei Stunden Gratisarbeit pro Mitarbeiter und Woche – das würde auf einen Schlag rund 1000 Arbeitsplätze in der grafischen Industrie gefährden. Dies stünde auch im krassen Gegensatz zur Aussage der Viscom-Vertretung, dass «ein neuer GAV das Ziel haben muss, Arbeitsplätze sicherer zu machen». Mit einer weiteren Erhöhung der bereits bestehenden Überkapazitäten schafft man keine Arbeitsplätze, sondern vernichtet sie. Wie so ein Szenario eine Urabstimmung bei den Gewerkschaftsmitgliedern – also den Betroffenen – überstehen sollte, sei ihm schleierhaft, meinte syndicom-Branchenpräsident Niklaus Dähler.


Minimallöhne

Ebenso absurd wie eine Einführung der 42-Stunden-Woche den Gewerkschaften, erschien den Vertretern des Unternehmensverbandes deren Forderung nach einer Erhöhung der Minimallöhne. Laut Viscom-Direktor Thomas Gsponer könne es ja nicht Aufgabe der Unternehmen sein, über die Minimallöhne ein Überleben ihrer Angestellten zu garantieren, das sei schliesslich Sache des Staates. Er liess auch anklingen, dass die Unternehmerseite die Minimallöhne am liebsten ganz aus dem GAV streichen würde.  Wie weit die Positionen voneinander entfernt sind, belegte die Präsentation einiger Zahlen seitens syndicom: Gerade bei den ungelernten Frauen verdienen rund ein Drittel weniger als die von den Gewerkschaften geforderten 3'800 Franken, geschweige denn die von der Mindestlohninitiative geforderten 22 Franken pro Stunde. Dabei wurde die Produktivität pro Mitarbeiter/Mitarbeiterin in den vergangenen Jahren um 22% erhöht, während die Reallöhne um gerade Mal 2,1% stiegen.


Jahresarbeitszeit und Frühpensionierung

Über diese beiden Kernforderungen – Wochenarbeitszeit und Minimallöhne – wird in den kommenden Verhandlungsrunden intensiv weiter diskutiert werden müssen. Annäherungen gab es – nach langen Detaildiskussionen – bei den Bestimmungen zur Jahresarbeitszeit, zumal sich beide Seiten einig wahren, dass sich die Eckwerte dieses Systems im Prinzip bewährt haben. Auch das von Gewerkschaftsseite vorgestellte Frühpensionierungsmodell stiess bei den Viscomvertretern und –vertreterinnen auf zustimmendes Interesse. Allerdings wurde eine vertiefte Auseinandersetzung zunächst mit dem Verweis abgelehnt, dass es keinerlei Lohnprozente der Arbeitgeber kosten dürfe. Roland Kreuzer musste kurz klarstellen, wie wichtig den Gewerkschaften die Verankerung eines Frühpensionierungsmodells im GAV ist, und dass sich die Arbeitgebenden daran selbstverständlich beteiligen müssten. Zu mehr als zur Einberufung einer Arbeitsgruppe war die Viscom-Vertretung bis zum Ende des zweiten Sitzungstages vorerst nicht bereit.


Die nächste Sitzung findet am Donnerstag, 11. Oktober, statt.


Datum reservieren: An der Branchenkonferenz vom 8. Dezember werden die Mitglieder der Branche grafische Industrie zum Verhandlungsergebnis Stellung beziehen können.

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