Buchhandel: Einerseits Lohnentwicklung dank GAV, anderseits Lohnstagnation für langjährige Mitarbeitende

Vor 10 Jahren hat syndicom (damals comedia) zum letzten Mal die Löhne im Deutschschweizer Buchhandel untersuchen lassen. Ziel der Studie war es, die Lohnsituation im Deutschschweizer Buchhandel 10 Jahre nach der letzten Lohnstudie zu erheben und die Resultate mit der Situation 2007 zu vergleichen.
Die Ergebnisse der diesjährigen Studie 2017 zeigen im Vergleich mit der letzten Lohnstudie, dass die von syndicom mit dem SBVV ausgehandelten Lohnabschlüsse sich vor allem in den ersten Berufsjahren direkt auswirkten. 60% der Beschäftigten erhielten in den letzten 10 Jahren jedoch keine Lohnerhöhung; für langjährige Angestellte stagnierten die Löhne, denn mehr als der in den Lohnrunden 2008, 2009 und 2011 ausgehandelte Teuerungsausgleich (total 3,2%) schaute für die meisten nicht heraus. Anzeichen für zahleiche individuelle Lohnanpassungen, die oft als Argument gegen eine generelle Lohnerhöhung ins Feld geführt werden, können in der Analyse nicht eruiert werden.
syndicom folgert nun aus den Erkenntnissen der Lohnstudie, dass
- es nur dank den GAV-Mindestlöhnen und den jährlichen Lohnrunden zwischen 2007 und 2017 eine Lohnentwicklung gab
- die Mindestlöhne erst mit über 10 Jahren in der gleichen Buchhandlung oder im Alter von 35 Jahren spürbar übertroffen werden
- für die Erzielung einer kontinuierlichen Lohnentwicklung die Einführung von weiteren Mindestlöhnen, z.B. ab dem 7. und 10. Berufsjahr, erforderlich ist.
Die Autorin der Lohnstudie nimmt Stellung zu drei Fragen

Es haben 427 von geschätzt 1800 Beschäftigten im Deutschschweizer Buchhandel aus unterschiedlichsten Betrieben teilgenommen. Wie repräsentativ ist das Resultat einzuschätzen?
Dr. Anne Herrmann: Mit einer Beteiligung von circa 25 Prozent der Beschäftigten wurde ein hoher Rücklauf für eine Befragung dieser Art erreicht. Dies deutet darauf hin, dass unter den Beschäftigten im Buchhandel ein reges Interesse an diesem Thema besteht. Ob eine Stichprobe darüber hinaus auch repräsentativ ist, hängt aber neben der Grösse auch davon ab, ob die Befragten hinsichtlich bestimmter Merkmale wie Alter, Geschlecht, Dauer der Betriebszugehörigkeit anteilig mit der Grundgesamtheit (in diesem Fall also aller im Deutschschweizer Buchhandel Beschäftigten) übereinstimmen. Da über die Verteilung der Merkmale für die Beschäftigten im Deutschschweizer Buchhandel keine Daten vorliegen, kann ich zur Repräsentativität keine gesicherten Aussagen treffen.
Was lässt sich zu den Löhnen sagen?
Dr. Anne Herrmann: Ein Vergleich mit der Lohnstudie 2007 zeigt, dass der Medianlohn für Angestellten im Buchhandel ohne Führungsposition geringfügig gestiegen ist. Betrug er vor zehn Jahren noch CHF 4’166, so sind es im Jahr 2017 CHF 4’265. Aufgrund der Teuerung sind die Reallöhne aber um weniger als 1% gestiegen. Aus Perspektive der Beschäftigten ist dies verständlicherweise eine ernüchternd geringe Erhöhung. In den letzten zehn Jahren hat sich aber die Situation im Buchhandel auch deutlich verändert. So kam es unter anderem zu bedeutsamen Umsatzeinbussen in der Branche.
Was sind für Sie die auffallendsten Resultate der Lohnstudie?
Dr. Anne Herrmann: Auffallend ist die zu beobachtende Lohnstagnation: In der Lohnstudie von 2007 gaben circa 36% der Beschäftigten an, in den letzten drei Jahren ohne Lohnsteigerung auskommen zu müssen. In der Lohnstudie von 2017 waren es ganze 60%. Lohnstagnation betrifft mittlerweile also die Mehrheit der Beschäftigten. Diese eher geringe Chance auf eine substantielle Lohnentwicklung zeigt sich auch, wenn man den Lohn über verschiedene Altersklassen hinweg vergleicht. Wie üblich und erwartet steigt mit gehobenerer Stellung im Betrieb aber der Medianlohn. Allerdings ist diese Steigerung nicht besonders stark ausgeprägt. Eine Kaderposition mag aus zahlreichen Gründen erstrebenswert sein – finanziell zahlt es sich (zumindest im Mittel betrachtet) nicht sehr stark aus.
Frau Dr. Anne Herrmann, Dozentin für Wirtschaftspsychologie, Studiengangleiterin MAS Business Psychology, Riggenbachstrasse 16, CH-4600 Olten