Artikel

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Ich bin Grafikerin in einem grossen Kommunikationsunternehmen und arbeite hauptsächlich mit Männern zusammen. Einige gefallen sich in schockierendem, respektlosem Verhalten gegenüber den Kolleginnen. Ein bestimmter Kollege, verheiratet, belästigt mich regelmässig. Er lässt mich in sein Büro kommen, um irgendein Dossier zu besprechen, und das zu Zeiten, wo fast niemand mehr da ist. Er hat mich immer wieder gefragt, ob ich mit ihm einen Kaffee trinken gehe. Obwohl ich ihm mehrmals deutlich gesagt habe, er solle mich in Ruhe lassen und ich hätte absolut kein Interesse, wird es immer schlimmer. Manchmal schickt er mir abends anzügliche SMS. Das geht seit Monaten so. Mir geht es immer schlechter, ich habe Angst, ihm nur über den Weg zu laufen. Nachdem er letzthin abends in mein Büro platzte und zudringlich wurde, will ich nicht wieder zur Arbeit gehen. Ich kann ihm nicht begegnen und so tun, als ob nichts gewesen wäre. Ich weiss nicht, was ich machen soll, damit es aufhört. 


Zuallererst musst du die Vorfälle sofort deinem direkten Vorgesetzten und dem Personaldienst (HR) melden. Diese müssen eine interne Untersuchung einleiten. Du solltest deine Aussagen mit möglichst vielen Beweisen untermauern, man muss immer alles dokumentieren. Denn traurigerweise ist es in den meisten Fällen so, dass der Belästiger alles abstreitet. Und leider verfügen die Opfer von Belästigungen meistens nur über mündliche Beweise, manchmal über Aussagen von Augenzeugen oder anderer Opfer. Oftmals bleiben diese aber im Schatten und sind aus Angst vor Vergeltung – Kündigung zum Beispiel – nicht zu einer Aussage bereit. Ohne Zeugen und schriftliche Beweise ist es also sehr schwierig. In deinem Fall hast du zum Glück die SMS, die mit grosser Sicherheit ausreichen werden, um deine Aussagen zu belegen.

Zweitens solltest du den Vorfall der Polizei melden, denn diese Handlungen sind strafbar. Nach Strafgesetzbuch handelt es sich um eine «sexuelle Belästigung» (Art. 198 Abs. 2), wenn die Person dich tätlich (Hand auf dem Oberschenkel) oder in grober Weise durch Worte (die SMS, die du bekommen hast) sexuell belästigt hat. Die Polizei übermittelt den Fall anschlies­send an die Staatsanwaltschaft. Der verantwortliche Staatsanwalt bzw. Staatsanwältin führt eine Untersuchung durch. Er oder sie wird die verschiedenen SMS oder anderen Beweise für deine Aussagen prüfen und die Parteien (dich und den Beschuldigten) und mögliche Zeugen anhören. Wenn die Staatsanwältin, der Staatsanwalt zum Schluss kommt, dass der Beschuldigte diese Straftat begangen hat, verurteilt sie oder er ihn per Strafbefehl zu einer Geldbusse.

Danach muss die HR-Abteilung des Unternehmens, in dem du arbeitest, Disziplinarmassnahmen gegen den Verurteilten ergreifen: am besten die Kündigung oder zumindest Massnahmen, mit denen die Wiederholung solcher Vorfälle vermieden werden kann. Du sollst dich an deinem Arbeitsplatz wieder wohlfühlen können.

Das ist kein einfaches Verfahren. Deshalb ist es wichtig, dass man bei solchen manchmal sehr schwierigen Konflikten von einer Vertrauensperson oder von seiner Gewerkschaft unterstützt wird.

Informiert bleiben

Persönlich, rasch und direkt

Du willst wissen, wofür wir uns engagieren? Nimm Kontakt zu uns auf! Bei persönlichen Anliegen helfen dir unsere Regionalsektretär:innen gern weiter.

syndicom in deiner Nähe

In den Regionalsekretariaten findest du kompetente Beratung & Unterstützung

Jetzt Mitglied werden