Gewerkschaftliches Plädoyer für ein Nein zu No Billag

Am 4. März 2018 stimmen wir über die Initiative No Billag ab. Dabei geht es nicht einfach um die Frage, ob wir künftig noch Radio- und Fernsehgebühren bezahlen. Sondern um eine Medienberichterstattung, der man trauen kann und die sich nicht einzig nach dem Profit ausrichtet. Es geht um viel, auch für die Arbeitnehmenden und ihre Interessenvertretungen – die Gewerkschaften.

Thomas Zimmermann, Leiter Kommunikation Schweizerischer Gewerkschaftsbund SGB

Es ist ein trüber Dienstagmorgen, als Novartis am 25. Oktober 2011 die Bombe platzen lässt: 2000 Stellen will der Pharmamulti streichen, 320 davon im waadtländischen Prangins. Ohne Not. Der Unmut ist gross. Nicht nur bei den direkt Betroffenen. Auch Bundesrat, Kantonsregierung und -parlament reagieren, die Medien berichten. Eine von breiten Bevölkerungskreisen getragene Bewegung unterstützt den Kampf der Belegschaft und der Gewerkschaften. Mit Erfolg.

Szenenwechsel. März 2017: 120 Angestellte von SRG und privaten Radio- und TV-Sendern diskutieren am Kongress ihrer Gewerkschaft SSM über No Billag. Die Stimmung ist angespannt. Denn die Radio- und Fernsehprofis wissen: Sollte die Initiative angenommen werden, stehen ihre Arbeitsplätze auf dem Spiel. 7000 direkt, 6500 bei Zulieferfirmen und freien Mitarbeitenden. Denn ohne Gebühren brechen ihren Arbeitgebern die Hälfte (Privatsender) oder Dreiviertel (SRG) ihrer Erträge weg. Da geht jede normale Firma kaputt. Die Gewerkschaftsdelegierten beschliessen, für ihre Arbeitsplätze zu kämpfen. Sie zapfen sogar die für Arbeitskämpfe vorgesehenen Reserven an.

Doch während im Fall Novartis die Belegschaft schweizweit auf breites Verständnis stiess, kritisieren im Fall No Billag viele Medien jede Äusserung der Betroffenen als unangebrachte Parteinahme in einem Abstimmungskampf. Für uns GewerkschafterInnen ist klar: Unsere Kolleginnen und Kollegen haben ein Recht, sich zu wehren. Und wir unterstützen sie.

Aber No Billag würde nicht nur Tausende Arbeitsplätze vernichten. Sie würde einen wichtigen Teil des Service Public zerschlagen. Sendungen, die der ganzen Gesellschaft zu Gute kommen und die der Markt niemals finanzieren kann. Radio und vor allem Fernsehen sind teuer, die Märkte in der Schweiz sehr klein. Nur mit Werbung lässt sich ein breites Informations-, Sport- und Unterhaltungsangebot für alle vier Sprachregionen schlicht nicht finanzieren. Ohne Service Public gäbe es in der Deutschschweiz höchstens noch ein kommerzielles Rumpfprogramm. Und in der Romandie, dem Tessin und der rätoromanischen Schweiz wäre Sendeschluss.

Die Service-Public-Medien haben einen klaren Auftrag: Sie müssen zur freien Meinungsbildung beitragen und die verschiedenen Ansichten sachlich darstellen. Das ist entscheidend, auch wenn es nicht immer gelingt. Sonst würden die Parteien – von rechts bis links – und die grossen Verbände diese Medien nicht regelmässig der Einseitigkeit bezichtigen. Auch der SGB, wenn SRF unsere Demo zur Altersvorsorge mit 15'000 Teilnehmenden schlicht ignoriert.

Die dortigen Medienschaffenden machen ihren Job – mal besser, mal schlechter. Aber man kann der SRG nicht unterstellen, dass sie links oder rechts steht. Deshalb werden auch 80% der Beschwerden von der Ombudsstelle abgewiesen, unabhängig vom Absender. Für uns Gewerkschaften ist klar: Ohne Medien, die auch die Anliegen der Arbeitnehmenden thematisieren und uns zu Wort kommen lassen, kann die Demokratie nicht funktionieren. Die Medien dürfen uns auch kritisieren. Aber nur die Service-public-Medien sind per Gesetz verpflichtet, uns gleich zu behandeln wie die Arbeitgeber, gleich wie alle Parteien.

Genau diese politische Unabhängigkeit der SRG ist den Initianten ein Gräuel. Deshalb wollen sie Radio und Fernsehen zerschlagen und mundtot machen. Haben die ultraliberalen Initianten ihr Markt-Dogma in der Medienlandschaft erst durchgesetzt, können sie anschliessend mit Rumpf-Angeboten die öffentliche Meinung beeinflussen.

Und ordentlich Geld verdienen. Den Preis bezahlen andere: Die freie Meinungsbildung, der Zusammenhalt der Schweiz werden leiden. Aber auch wir MedienkonsumentInnen ganz konkret finanziell. Denn mit dem Wegfall der Gebühren-Sender werden wir für Sport, Filme und andere Angebote teure Abonnemente lösen müssen. Und unter dem Strich viel mehr zahlen als die 365 Fr./Jahr, die wir nun für ein Vollprogramm mit verlässlichen News, Schweizer Sport, Unterhaltung und Kultur bezahlen. No Billag kommt uns alle teuer zu stehen. Deshalb sagen der SGB und seine Verbände klar Nein zu dieser extremen und gefährlichen Initiative.

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