Feministin von Kindesbeinen an
Ich war schon immer sensibel für die Gleichstellung der Geschlechter: lange bevor ich der Frauenkommission in Bern und noch bevor ich der Gewerkschaft comedia beigetreten bin und mich in den 90ern für die Rechte der Frauen eingesetzt habe. Ich möchte sagen, dass die Begegnung mit «radikalen» Feministinnen in der deutschsprachigen Schweiz und mit Barbara Bassi (der damaligen Sekretärin von comedia/syndicom) für mich grundlegend waren, um das Unbehagen zu benennen, das ich so oft empfand und das ich nie mehr losgeworden bin.
Isabella Visetti hat schon immer gegen Diskriminierung gekämpft.
Als ich neun war, besuchte ich meine Grossmutter in Lugano und ging mit ihr zur Messe, wo ich Mädchen als Messdiener sehen konnte – das war in Le Chiese della Valsolda, wo ich lebte, undenkbar. Es kommt mir wie gestern vor, dass unser Pfarrer meine Eltern sprechen wollte, um mich von der revolutionären Idee abzubringen, Ministrantin zu werden. Da begann mein Kampf für die Gleichstellung von Männern und Frauen.
Später hat sich mein Einsatz verlagert auf Lohngleichheit, Vereinbarkeitsfragen, Männerteilzeit und die Rechte arbeitender Mütter. Ich hatte das Glück, in Bern und Basel zu leben, wo ich für die Wochenzeitung Cooperazionearbeitete. Ich zog in die Schweiz, als mein erster Sohn etwa ein Jahr alt war, und fand das geistige Klima in Bezug auf Elternschaft angenehmer hier, das Familienmodell war vielleicht weniger stereotyp patriarchalisch.
Ich respektiere den «harten» Feminismus mit seiner Kritik des männlichen Tuns; aber ich glaube an einen integrativeren Feminismus (ohne dass dies zu «weicheren» Positionen bezüglich Gleichstellung führt). Feministisch zu sein, bedeutet natürlich zwangsläufig, zu stören, denn wenn man die geringe Präsenz von Frauen im Führungsumfeld oder in den Medien anprangert, gerät man in Kollision mit der männlichen Welt. Der Feminismus, den ich vertrete, richtet sich jedoch an die Gesellschaft als Ganzes, will alle glücklicher machen.
Ich bin Feministin, weil Chancengleichheit ein Menschenrecht ist, aber auch, weil Chancengleichheit der gesamten Gesellschaft so sehr nützt: Wollen wir wirklich auf die Kompetenzen, Talente, die Ressourcen, den Standpunkt der Frauen verzichten? Ich bin stolz auf die Arbeit von FAFTplus und auf die Kampagne #iovotodonna («ich wähle die Frau») bei den Kantonswahlen, deren Erfolg nicht nur in der Anzahl Sitze bestand. Dass die Gleichstellung der Geschlechter ein Mass für die Gesundheit einer Demokratie ist: dies zu vermitteln, ist eine wichtige Aufgabe, und sie ist noch nicht geschafft.