Arbeitskämpfe in der digitalen Welt

Erfolg in den Arbeitskämpfen einer digitalen Welt

Sind Demos und Petitionen noch ausreichend in der Digitalzeit oder brauchen wir andere, neue gewerkschaftliche Kampfwerkzeuge?

Als Gewerkschaft müssen wir uns damit befassen, wie wir in der digitalen Arbeitswelt erfolgreiche Arbeitskämpfe führen werden. Ein Arbeitskampf wird auch in Zukunft das Ziel verfolgen, ökonomischen, gewerkschaftlichen oder öffentlichen Druck auf unnachgiebige Arbeitgeber auszuüben, damit diese die Anliegen der Arbeitenden ernst nehmen.

Im «analogen Arbeitskampf» ist ein Erfolg möglich, wenn die betroffenen Arbeitnehmenden geschlossen die Arbeit niederlegen und wenn nötig mit Streikposten und Betriebsblockaden Streikbrecher am Zutritt zum Betrieb hindern und den An- und Abtransport von Material und Waren verhindern.

2003, beim Streik in der Akzidenz- Rollenoffsetdruckerei (ARO) von Tamedia, waren wir erstmals mit «digitalen Kampfmassnahmen» eines Unternehmens konfrontiert. Alle Angestellten streikten, Streikposten riegelten die Druckerei ab und legten sie still. Ziel war die Verhinderung einer Ausgabe des Magazins Facts. Tamedia sabotierte den Streik mit der elektronischen Übertragung der Druckdaten (die an einem andern Tamedia-Standort produziert wurden) an ein halbes Dutzend fremde Druckereien, bei denen wir nicht rechtzeitig Aktionen auslösen konnten. So konnte mit dem Streik die Produktion zwar verzögert, jedoch nicht vollständig verhindert werden.

Streik kann heissen: Den Firmenserver lahmlegen

Daraus können wir lernen, dass wir im Streik verhindern müssen, dass Daten an andere Produktionsstätten im In- und Ausland übertragen werden und dort statt im bestreikten Betrieb die Fertigung eines Produkts erfolgt. Es kann nicht sein, dass Arbeitgeber durch Datentransfer einen Streik unterlaufen können und so das Streikrecht sinnentleeren.

Also müssen wir Methoden und Mittel entwickeln, um im Arbeitskampf betriebliche Server lahmzulegen oder den bestreikten Betrieb vom Netz abzuschneiden. Das Bundesgericht hat 2005 im Fall des PCL-Druckereistreiks Absperrungen durch friedliche Streikposten («peaceful picketing») als verhältnismässig und legitim anerkannt. Um das Streikrecht fit für die Zukunft zu machen, muss künftig auch der «Cyberstreik» als legitimes Arbeitskampfmittel anerkannt werden.

Der digitale Arbeitskampf hat jedoch viele weitere Dimensionen: Zum Beispiel die digitale Vernetzung von FreelancerInnen, HomeworkerInnen und ähnlich räumlich verzettelt arbeitenden Menschen, damit sie sich organisieren und im Konfliktfall ihre kollektive Macht ausspielen können. Die Bandbreite reicht vom organisiertem «kollektiven Lieferboykott» bis zum gemeinsamen Cyberangriff auf ein Unternehmen. Und zum neuen Arbeits kampf gehört auch die gezielte Nutzung von sozialen Medien. Ein gutes Beispiel dafür lieferten die KollegInnen der SDA bei ihrem Streik Anfang Jahr.

Per Twitter und auf ihrer eigenen Webseite war der Verlauf des Arbeitskampfs intern und extern jederzeit nachvollziehbar. Sehr wichtig war zudem, dass auf diesem Weg falsche Informationen, die im Internet kursierten oder von den SDA-Chefs und -Besitzern verbreitet wurden, richtiggestellt werden konnten. Gerade in einem Arbeitskampf im Service public ist der mediale Kampf um die Gunst der Öffentlichkeit ein nicht zu unterschätzendes Element. Der SDAKampf war diesbezüglich ein Lehrstück für die zeitgemässe Kampagnenführung.

Unserer Gewerkschaftsinternationalen UNI Global Union gelang es, in mehreren multinationalen Konzernen weltumspannende Koordinationen aufzubauen und globale Abkommen abzuschliessen (s. Seiten 8–9). Um in Zukunft auch einen weltweiten Arbeitskampf in einem Multi wie Amazon führen zu können, werden wir die oben skizzierten und weitere digitale Kampfmittel entwickeln müssen, mit denen die globale Gewerkschaftsbewegung die vor Ort kämpfenden Arbeitenden vernetzen und koordinieren, die Kunden einbeziehen und die Unterstützung der Öffentlichkeit durch korrekte direkte Information gewinnen kann. Kreative Köpfe sind gefragt, um die künftigen Erfolge vorzubereiten!   


Roland Kreuzer, ehemal. Leiter Sektor Medien

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