Ginge es nach Avenir Suisse, soll die Post Briefe nur noch zweimal pro Woche zustellen. Ist das wirklich eine Lösung?

Matteo Antonini: Dieser Vorschlag ist nicht neu. Er geht aber weiter als der Vorschlag von Bundesrat Rösti und als der Bericht der Expertenkommission Grundversorgung Post von 2022.

In der Schweiz werden die Briefe zusammen mit den Paketen zugestellt. Es ist undenkbar, dass die Zusteller:innen diese Produkte nicht zur gleichen Zeit an dieselbe Adresse liefern. Das wäre logistisch und wirtschaftlich unsinnig. Eine Zustellung nur an zwei Tagen pro Woche würde auch die Touren verlängern und die gesamte Logistikkette unter Druck setzen.

Es werden immer weniger Briefe verschickt. Ist es nicht logisch, sich an die neuen Gewohnheiten anzupassen?

Das beliebteste Post-Produkt der Schweizer:innen sind A-Post-Briefe. Noch werdenbei uns pro Jahr 1 Milliarde Postsendungen (ohne Pakete) verschickt. Das Nutzerverhalten verändert sich zwar. Aber Avenir Suisse schlägt vor, dort zu liberalisieren, wo der Markt wächst – bei den Paketen –, und die Leistungen in einem Markt zu senken, der in Schwierigkeiten ist (Briefe und Zeitungen). Wir schlagen vor, beide zu erhalten, damit der schwächere Teil vom stärkeren profitiert.

Das heisst: Pakete, Briefe und Zeitungen sollen weiterhin täglich zugestellt werden.

In Norwegen kommt die Post nur noch einmal wöchentlich, in Dänemark werden ab 2026 keine Briefe mehr zugestellt. Alles wird elektronisch verschickt, ausser die Pakete, die von Privaten geliefert werden. Das gibt zu denken, oder?

Skandinavien hat eine andere Geografie, Demografie und Wirtschaft als wir. Die Wirtschaft in der Schweiz wächst, ebenso die Bevölkerung. Die Situation in den skandinavischen Ländern ist damit nicht vergleichbar. Und wir sind bei der Digitalisierung nicht so weit. Wir haben ein anderes Nutzerverhalten und andere Gewohnheiten. Was nun geändert werden soll: Das Postnetz, das heute in einer schwierigen Lage ist, soll Mehrwert schaffende Dienstleistungen erbringen. Solche Dienste waren in der Strategie der Post vorgesehen, werden jetzt aber leider in Frage gestellt.

Welche Dienste sind das?

Digitale Dienstleistungen, die für die Bevölkerung notwendig sind: zum Beispiel E-Voting, die E-ID oder das elektronische Patientendossier. Ich sehe keine privaten Akteure, die diese Dienste anbieten. Die Bevölkerung hat sich gegen die Privatisierung dieser Dienste ausgesprochen. Die Post hat Potenzial in diesem Markt, der in öffentlicher Hand bleiben muss.

Muss der Service public zwingend von der Post erbracht werden? Wäre es nicht interessant, dies Privaten zu übertragen, mit bestimmten Rahmenbedingungen?

In diesem Markt gibt es in der Schweiz nur ein Monopol: Briefe bis 50 Gramm. Alles andere können auch Private übernehmen. Ich frage mich aber, was mit der Lieferung ist. Wer hat Lust, Weinkartons oder Windeln von einem Automaten oder Abholpunkt abzuholen? Die Leute wollen, dass bei ihnen zu Hause geliefert wird. Was Avenir Suisse vorschlägt, ist die Abschaffung der Zustellung von Paketen, auch von sehr schweren, für fast 60 000 Haushalte. Stellt euch vor: Landwirt:innen, Leute im Homeoffice, Menschen, die spät nachts von der Arbeit kommen, sollen noch zu einem «My Post24»-Automaten fahren, um ihre Pakete zu holen. Das ist wirklich Unsinn.

Weiterführende Informationen:

Unsere Forderungen

Eine Einschränkung des Universaldienstes durch die Post würde Tausende Arbeitsplätze in der Post- und Paketzustellung direkt gefährden – Menschen in der ganzen Schweiz, die sich seit Jahren für den Service public engagieren, würden arbeitslos.

Frühere Pläne des Bundesrats stiessen bereits auf breiten Widerstand – wie die Abschaffung der A-Post. Die Forderungen von Avenir Suisse gehen noch weiter und würden die Post als zuverlässigen Dienstleister im gesamten Staatsgebiet gefährden.

Der Post blieben nach dieser Logik nur noch die unrentablen Bereiche: Während sich der Privatsektor bereichert, trägt der Staat die Verluste.

syndicom fordert daher:

  • Ein klares Bekenntnis der Behörden zu einem flächendeckenden Universaldienst;
  • Investitionen in eine zukunftsorientierte öffentliche Post;
  • Keine weitere Liberalisierung zum Nachteil der Arbeitnehmer:innen und der Bevölkerung.
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