Zoe, Kuba, wie habt ihr eure Berufe ausgewählt?

Zoe: Ich lese gerne (lacht).

Kuba: Und ich game gerne.

Zoe: Ich wollte damals nicht aufs Gymnasium, also wurde es der Buchhandel.

Und das stimmt für dich bis heute?

Zoe: Ich weiss nicht, ob es mich für die nächsten 40 Jahre genug fordert, deshalb denke ich manchmal über Weiterbildungen nach. Ich kann mir gut vorstellen, ein paar Jahre etwas anderes zu machen und später wieder darauf zurückzukommen. Es ist wirklich ein toller Beruf.

Und du, Kuba, wurdest tatsächlich Informatiker:in durchs Gamen?

Kuba: Das war mein Hobby, ja. Ich war viel am PC und ich mochte das. Als Kind hatte ich den Traum, Game-Developer:in zu werden. In der Oberstufe hatten wir dann einen Informatik-Kurs und so kam das Eine zum Anderen. Auch ich hatte mich gegen den Gymer entschieden, ich wollte unabhängig sein und ausziehen, also musste ich mein eigenes Geld verdienen können.

Geld und Unabhängigkeit – wichtige Elemente in unserer Gesellschaft. Wie wichtig war der Lohn bei der Berufswahl?

Kuba: Damals eher weniger, aber ich habe schnell festgestellt, welche Unabhängigkeit ein guter Lohn bringt. Ich weiss jetzt etwa, wie viel ich verdienen muss für mein Leben. Und je höher mein Lohn wird, desto mehr kann ich mein Pensum reduzieren. Für mich war schon immer klar: Lohnarbeit ist eher eine Nebensache. Eine Nebensache, die mir ermöglicht, mein Leben zu leben. Mit Freund:innen, Freizeit, Beziehungen. Für die Politik, für andere Engagements. So gesehen ist die Höhe des Lohnes schon ein wichtiger Punkt.

Zoe: Buchhändler:innen haben einen schlechten Lohn, das war mir von Anfang an klar. Bei uns brauchst du Leidenschaft und Interesse. Dennoch arbeite ich nur 60%, so habe ich genug zum Leben. Die Hauptsache ist, dass mein Beruf Spass macht. Dass ich bei Feierabend noch Energie habe, nicht ausgelaugt bin. Das Leben geniessen kann und nicht nur arbeite. Ich brauche meine Freizeit um Energie zu tanken und ich brauche Zeit für meine Engagements, wie für die syndicom.

Wir sind voll im Thema drin – der Sinn der Arbeit: Geld verdienen ja, mit etwas, das einen interessiert, aber nur so viel, damit Zeit bleibt für andere Dinge, die einen vielleicht noch mehr interessieren. Kann man das so zusammenfassen?

Zoe: Ja, aber man müsste noch den Unterschied zwischen Lohnarbeit und allgemeiner Arbeit machen…

Kuba: Unbedingt!

Zoe: …weil es gibt Lohnarbeit, die nicht viel Sinn ergibt, ausser Geld, und es gibt ganz viel wichtige Arbeit, wie Care-Arbeit oder freiwillige Engagements, die kein Geld geben, aber enorm arbeitsintensiv und mega wichtig sind.

Gesellschaftlich werden wir aber noch immer über unseren Beruf definiert.

Kuba: Genau darum ist diese Unterscheidung so wichtig. Bei vielen Menschen geht es bei der Lohnarbeit alleine darum, möglichst viel zu verdienen, um ein möglichst gemütliches Leben zu haben. Doch sollte es bei der Arbeit grundsätzlich darum gehen, dass man das beiträgt, was man kann, damit die Gesellschaft und das System existieren können. Auch der Kapitalismus würde längst nicht mehr funktionieren, ohne die ganze Freiwilligenarbeit.

Würden mehr Menschen ihre Angehörigen pflegen, wenn sie dafür Lohn erhielten? Ist dies überhaupt die richtige Motivation?

Zoe: Genau da muss es schlicht beide Möglichkeiten geben. Aber es ist eine Frage, die man nicht einfach mit ja oder nein beantworten kann.

Absolut. Es würde unser Gespräch sprengen – kommen wir zurück zur Lohnarbeit. Welche Ansprüche, Erwartungen oder Wünsche habt ihr?

Kuba: Ich schätze die Flexibilität bei meiner Arbeit. Ich kann meistens an Sitzungen und anderen Aktivitäten ausserhalb der Arbeit teilnehmen, da ich meine Arbeitszeit relativ frei einteilen kann. Was sich viele in meinem Umfeld wünschen, sind Stabilität und gute Firmenkommunikation. Dass man bei Entscheidungen und Änderungen mitgenommen wird. Mitbestimmung wäre auch ein wichtiger Punkt. Fehlt diese, führt es zu einer Entfremdung der eigenen Arbeit. Dann geht es nicht mehr darum, wie man die Arbeitszeit am besten verbringe, sondern am schnellsten.

Zoe: Bei festen Arbeitszeiten und weniger Flexibilität ist das Wichtigste ein gutes Team und eine gute Vorgesetzte, die es auch erlaubt, untereinander abzutauschen. Ein für mich sehr wichtiges Thema ist Flexibilität für Menschen mit chronischen Erkrankungen. Ich selber habe Endometriose und bin heilfroh, wenn ich bei enormen Bauchkrämpfen nach Hause darf und mir Verständnis entgegengebracht wird.

Gibt es Berufe, die in eurem Umfeld schlicht nicht gewählt werden?

Zoe: Ich würde dies offener formulieren: Es gibt viele systemrelevante Berufe, die man nicht unbedingt wählt, aber die Umstände einen halt dazu bringen. Reine Geldjobs eben. Die würde ich nicht wählen wollen, vor allem wegen der Arbeitsbedingungen. Zu wenig Lohn, zu viel Stress, zu viel Flexibilität gefordert, unzählige Überstunden, sodass man das halbe Leben hingeben muss.

Das hat man früher so hingenommen. Da hat sich also schon etwas verbessert, oder?

Zoe: Jaaa… ich würde sagen: beides. Gerade in der Pflege waren sie früher personell besser aufgestellt und hatten mehr Zeit für die Patient:innen. Von Freund:innen weiss ich, der zwischenmenschliche Kontakt wird enorm vermisst. Sie lernen den Menschen weniger gut kennen und können so ihren Job weniger gut machen.

Kuba: Voll, auch bei uns. In der Informatik gibt es oft Druck neue Features kreieren zu müssen, möglichst schnell, sodass wohl oft die Zeit fehlt, sich korrekt um die Sicherheit oder Qualität zu kümmern. Es kommen auch immer mehr KI-Tools, die diese Fehler erkennen sollen, uns wird das dann als Zeitsparmassnahme verkauft und wir sollen uns noch mehr aufs Programmieren fokussieren. Also steht oft mehr Gewinn vor der Qualität der Arbeit.

Zoe: Solche Sicherheitslücken gibt es in allen Berufen. Ich höre das so oft! Landschaftsgärtner, bei der SBB – egal wo, es fehlt schlicht die Zeit, um Qualität sicherzustellen.

Kuba: Hätten die Mitarbeitenden mehr Mitspracherecht, würden sie viel mehr Priorität auf solche Themen setzen. Dies würde garantiert einen Mehrwert bringen. Sowohl für ihr Wohlbefinden, als auch für die Arbeitsqualität.

Und welche Berufe wählen junge Menschen heute?

Kuba: In meinem engsten Umfeld ist es recht divers. Koch, Psycholog:in, Illustrator:in, Schreiner:in, …

Zoe: Bei mir auch. Was diese Berufe jedoch miteinander verbindet, ist, dass man sich in gewissem Masse selber verwirklichen kann. Der Fokus liegt klar auf etwas, das zu einem passt. Dass die Arbeit auch etwas zurück gibt und man nicht nur in die Arbeit reingibt.

Kuba: Ja. Das trifft es genau.

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