Belästigung, Sexismus und sexualisierte Übergriffe finden sich in allen Beschäftigungsfeldern. In der Medienbranche scheinen die Zahlen aber noch höher zu sein.

Berichteten in einer Seco-Studie 2008 schweizweit 28% der Frauen von Belästigung am Arbeitsplatz, sind es laut einer Tamedia-Umfrage von 2019 (Podcast mit der Autorin53% der 458 befragten weiblichen Medienschaffenden. Besonders gefährdet sind Berufseinsteigerinnen. Rund drei Viertel der Befragten gaben in der Tamedia-Studie an, ihre Erfahrungen mit dem Thema Belästigung mit unter 35 Jahren gemacht zu haben, knapp die Hälfte waren unter 30.

Vor allem weibliche Medienschaffende sind nicht nur Übergriffen durch Vorgesetzte und Kollegen ausgesetzt: Gemäss derselben Umfrage berichten 40% der Befragten von Übergriffen durch externe Personen wie etwa Interviewpartner.

Das Gleichstellungsgesetz sagt in Artikel 4: «Diskriminierend ist jedes belästigende Verhalten sexueller Natur oder ein anderes Verhalten auf Grund der Geschlechtszugehörigkeit, das die Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz beeinträchtigt. Darunter fallen insbesondere Drohungen, das Versprechen von Vorteilen, das Auferlegen von Zwang und das Ausüben von Druck zum Erlangen eines Entgegenkommens sexueller Art.»

Die Erscheinungsformen reichen von subtilen Verhaltensweisen bis hin zu strafrechtlich relevanten Tatbeständen, zum Beispiel:

  • Anzügliche und peinliche Bemerkungen über das Äussere
  • Herabwürdigende Blicke und Gesten
  • Unerwünschte Körperkontakte und aufdringliches Verhalten
  • Sexistische Bemerkungen in Mails
  • Sexistische Äusserungen und Witze
  • Vorzeigen, Aufhängen und Versenden von pornografischem Material
  • Einladungen mit Versprechen von Vorteilen oder unter Androhung von Nachteilen
  • Verfolgung innerhalb und ausserhalb des Betriebs
  • Körperliche Übergriffe
  • Erpressen und Erzwingen sexueller Beziehungen
  • Nötigung und Vergewaltigung

Sexuelle Belästigung ist Diskriminierung. Das Gleichstellungsgesetz (Art. 4) spricht explizit von «Diskriminierung durch sexuelle Belästigung». Die Verantwortung für übergriffiges Verhalten, Belästigung und Sexismus tragen die Täter:innen, aber auch Redaktionen und Vorgesetzte, die ein Klima dulden, in dem es zu Übergriffen kommt. Ihnen obliegt die Verantwortung, ihre Angestellten sowohl intern als auch bei externen Aufträgen nach bestem Wissen und Gewissen zu schützen.

Schutz vor sexueller Belästigung gehört gemäss dem Obligationenrecht (Art. 328)  zum «Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmers» zu welcher der Arbeitgeber verpflichtet ist.

Das Unternehmen muss zudem dafür sorgen, dass Betroffenen oder solidarischen Personen keine weiteren Nachteile entstehen.

Unterlassen es die Vorgesetzten, die Angestellten vor Sexismus, Belästigung und Übergriffen zu schützen oder reagieren die Verantwortlichen auf bekannte Fälle nicht adäquat, kann das unter anderem Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung nach sich ziehen.

Grenzüberschreitungen werden subjektiv erfahren, niemand anders hat das Recht, zu bestimmen, wann etwas «nur nett gemeint» oder «ein Witz» war. Was Belästigung ist, definieren die Betroffenen daher selbst. Betroffene von Belästigung, Sexismus oder gar sexualisierter Gewalt tragen keine Mitschuld. Die aufgeführten Handlungsempfehlungen sind als Hilfestellungen für die eigene Sicherheit und die rechtliche Handhabe zu verstehen. 

Auch wenn es schwerfällt: Setze Grenzen mit einem klaren Nein. Sag, dass du etwas nicht in Ordnung findest oder nicht willst. Mache laut genug auf die Situation aufmerksam, verlasse nach Möglichkeit die Interaktion oder den Raum. Auch bei Interviewsituationen ist es dein Recht, zu gehen, wenn dir etwas unangenehm ist.

Deine Ansprechperson bei der Gewerkschaft unterstützt dich gerne dabei, Geschehnisse einzuordnen und weitere Handlungsoptionen zu definieren. Als Gewerkschaftsmitglied hast du Anrecht auf eine kostenlose Rechtsberatung und – wenn ein rechtliches Vorgehen notwendig ist – auf juristischen Beistand. Eine Vertreterin von syndicom begleitet dich gerne an Gespräche mit deinen Vorgesetzten oder dem Personaldienst.

Bezeichne übergriffiges oder sexistisches Verhalten als solches. Die ausübende Person weiss so zweifelsfrei darüber Bescheid, dass du nicht mit dem gezeigten Verhalten einverstanden bist, und kann sich bei einem späteren Gespräch, etwa mit dem Personaldienst, nicht in Ausreden flüchten. Oft steigert sich übergriffiges Verhalten mit der Zeit, und je normalisierter ein unangebrachtes Verhalten wird, desto schwieriger scheint es, sich dagegen zu wehren.

Dokumentiere Zwischenfälle möglichst genau. Notiere Zeit und Ort des Übergriffs, den Wortlaut oder Handlungsablauf und etwaige Zeug:innen. Bei einer allfälligen rechtlichen Auseinandersetzung können diese Notizen wichtig sein. Melde Fälle direkt an die Teamleitung, ggf. die zuständige externe Stelle, den Personaldienst und/oder die Unternehmensleitung. Tausche dich aus, suche dir Verbündete. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine übergriffige Person auch anderen gegenüber negativ aufgefallen ist, ist gross. 

Lass deine negativen Gefühle und Erfahrungen nicht kleinreden oder relativieren. Auch ein einmaliger Zwischenfall ist Belästigung oder ein Übergriff.

Führe Interviews mit Gesprächspartner:innen, bei denen dir nicht ganz wohl ist, an öffentlichen Orten, telefonisch oder in Begleitung. Benenne übergriffige Politiker:innen, Sportler:innen, Musiker:innen oder andere gegenüber deiner Redaktion. Besprich nach Möglichkeit bereits von Anfang an die Option, einen Auftrag abzulehnen oder weiterzugeben, wenn dein Gegenüber sich nicht korrekt verhält.

Auch nicht direkt Betroffene können sich bei syndicom Hilfe und Unterstützung holen und das weitere Vorgehen gemeinsam besprechen.

Es kann schwer sein, sich gegen Belästigung, Sexismus und Übergriffe auszusprechen, auch wenn man nicht selbst davon betroffen ist. Besonders wenn der Täter oder die Täterin eine vorgesetzte Person oder ein angesehener Kollege ist und man befürchtet, durch die eigene Intervention ausgegrenzt zu werden. Dennoch ist es zentral, nicht wegzusehen. Es hilft, sich vor Augen zu führen, dass sich Sexismus, Belästigung und Co. aus diesen Ängsten und aus der Vereinzelung und Isolation der Betroffenen speisen. Je nach Schwere des Übergriffes macht man sich der unterlassenen Hilfeleistung mitschuldig.

Prahlt ein Kollege, eine Kollegin mit sexistischen oder diskriminierenden Witzen und Sprüchen, empfiehlt es sich, unverfänglich zu fragen, ob er oder sie den Witz erklären könnte, da man ihn nicht versteht. Sprüche sind leicht gemacht, doch weitaus schwieriger ist es, eine sexistische Pointe zu erklären. 

Interveniere, wenn du siehst, dass sich eine Kollegin, ein Kollege in einer Situation nicht wohl fühlt. Oftmals ist es bereits wichtig, den direkten Kontakt zwischen Belästigenden und Betroffenen durch eine Teilnahme am Gespräch oder auch nur physische Anwesenheit zu durchbrechen. 

Sprich Kolleg:innen an, die sich übergriffig oder sexistisch verhalten. Das in einer grossen Runde zu tun, erfordert Mut, aber bereits Bemerkungen wie «Das fand ich jetzt nicht lustig» oder «Muss das sein?» können bewirken, dass die Person sich für das Verhalten schämt und es in Zukunft eher unterlässt. Für die betroffene Person kann eine externe Intervention zudem eine grosse Hilfestellung sein, da sie sich nicht mehr alleine fühlt, sondern sieht, dass auch andere die Situation negativ bewerten. 

Gehe zu einer betroffenen Person hin und sage, dass du diese Situation beobachtet hast und für falsch hältst. Biete deine Unterstützung beim weiteren Vorgehen an. 

Diskutiert das Thema und die Empfehlungen im Kreis eurer Kolleg:innen

Wir sind interessiert an euren Rückmeldungen und Erfahrungen und werden das Merkblatt wenn nötig ergänzen.

Wir stehen euch bei Diskussions- oder Weiterbildungsbedarf im Team ebenso wie für individuelle Beratungen zur Verfügung.

Idris Djelid, Regionalsekretär Branche Presse und elektronische Medien
idris.djelid@syndicom.ch, 058 817 19 00

Stephanie Vonarburg, Leiterin Sektor Medien:
stephanie.vonarburg@syndicom.ch, 058 817 18 73

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