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Das Ende des «Berner Modells»? Tamedia streicht Lokaljournalismus in Bern zusammen

Tamedia will die Redaktionen der Berner Titel «Der Bund» und «Berner Zeitung» ab April 2021 zu einer einzigen Redaktion zusammenführen. Lokale Geschichten und kommunale Wahlen aus der Region Bern werden in der Berichterstattung nur berücksichtigt, wenn sie für die ganze Schweiz von Bedeutung sind. Die Kulturredaktion soll mehr über Netflix schreiben. Dies gab die Unternehmensleitung von Tamedia an einer Personalinfo in Bern bekannt.

22.03.2018, Protest in Bern gegen die Medienkonzentration

Bisher garantierte das so genannte «Berner Modell» bei den Zeitungstiteln eine gewisse Meinungsvielfalt in der Region: Zwei konkurrenzierende Tageszeitungen aus demselben Verlag decken die Berichterstattung ab und sorgen für eine Breite an Themen und Haltungen. Damit könnte nun Schluss sein.

An einer Personalinformation am 28. Oktober gab die Unternehmensleitung von Tamedia Pläne bekannt, die Redaktionen von «Der Bund» und der «Berner Zeitung» zu einem «Team Bern» zusammen zu legen. Auch die publizistischen Leitlinien skizzierten die Geschäftsführer Marco Boselli und Andreas Schaffner: Die fusionierte Redaktion soll nur noch über lokale Themen berichten, wenn sie über die Region Bern hinaus von Bedeutung sind. Selbst Wahlen in den Gemeinden finden nur noch Eingang in die Berichterstattung, wenn etwas Aussergewöhnliches passiere.

Gerüchte, dass die Hälfte der Stellen bei «Bund» und «Berner Zeitung» wegfallen können, seien übertrieben, sagten Boselli und Schaffner weiter. Der Kulturredaktion empfahlen sie, mehr über Netflix zu schreiben.

Die Mediengewerkschaft syndicom und der Berufsverband impressum befürchten eine mediale Unterversorgung in der Region Bern – ausgerechnet im politischen Zentrum der Schweiz. Gerade in kleinen Gemeinden und ländlichen Regionen droht eine Berichterstattung durch unabhängige Medien wegzufallen. Auch Bern als Bundeshauptstadt fehlt mit einer einzigen Tageszeitung mediale Vielfalt. Woher erfahren die Menschen zukünftig, was in ihrer Gemeinde passiert? Wie lässt sich mit einer einzigen, personell reduzierten Redaktion die notwendige Breite an Themen, Aktualitäten und Meinungen aufgreifen? impressum und syndicom laden die Unternehmensleitung von Tamedia zu einem Dialog bezüglich dieser und ähnlicher Fragen ein. Mit seiner Monopol-ähnlichen Stellung auf dem Medienplatz Bern hat der Konzern eine hohe publizistische Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit.

Um die Folgen für die betroffenen Redaktionsmitglieder bei «Bund» und «Berner Zeitung» möglichst abzumildern, unterstützen syndicom und impressum die Personalkommissionen bei Tamedia in den Verhandlungen über einen Sozialplan. Beide Organisationen sind zudem bereit, gemeinsam mit der Unternehmensleitung darauf hinzuarbeiten, die Zahl der Entlassungen möglichst weitgehend zu reduzieren.

Syndicom und impressum sind zuversichtlich, in den Verhandlungen eine soziale Lösung für die Betroffenen erarbeiten zu können. Was mit dem Medienplatz Bern und seiner Bedeutung für die Demokratie passiert, ist hingegen eine andere Frage. Mit diesem Thema müssen sich die politischen Verantwortlichen, den Wirtschaftsstandort Bern und die lesende Öffentlichkeit zusammen mit den Medienorganisationen befassen.

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