Begonnen hat die Digitalisierung mit der Entwicklung der ersten Computer in den 1960er-Jahren. Weltweit verbreitet hat sie sich mit dem Einzug von Computern in Büros, Haushalten und Industriehallen in den 1980er-Jahren. In eine nächste Phase ging sie mit der Erfindung und Verbreitung des Internets kurz vor der Jahrtausendwende. Heute sind wir etwa über Facebook weltweit vernetzt. Und das Smartphone als ständiger persönlicher Begleiter ist nicht mehr wegzudenken. Es liegt auf der Hand, dass solch massive gesellschaftliche Veränderungen Einfluss auf die Arbeitswelt haben.

Die Digitalisierung durchdringt immer mehr Bereiche unseres Lebens und erreicht heute eine nie dagewesene Komplexität: Analysen und Studien füllen ganze Bücherregale. Umso wichtiger ist es für syndicom, die Entwicklung permanent zu verfolgen und unsere Forderungen auf allen Ebenen einzubringen. Auf höchster politischer Ebene ebenso wie in unseren Sozialpartnerschaften.

Wir wissen um die Risiken der Digitalisierung. Sie macht manche Arbeitsformen und die damit verbundenen Arbeitsplätze überflüssig, lässt aber gleichzeitig neue Arbeitsformen und Berufsbilder entstehen. Ohne eine gesteuerte Digitalisierung drohen Massenarbeitslosigkeit, prekäre Arbeitsbedingungen, aber auch totale Überwachung, Manipulation oder gar die Machtübernahme durch künstliche Intelligenzen. Deshalb ist unser Engagement für eine Digitalisierung mit sozialer Verantwortung so wichtig.

Denn die Entwicklung lässt sich nicht stoppen. In der globalen Betrachtung ist das Verhindern der weiteren Digitalisierung reines Wunschdenken. Auf die Schweiz bezogen würde ein Verhindern der Entwicklung zu Isolation führen, verbunden mit gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Abstieg. Wir müssen akzeptieren, dass die zunehmende Digitalisierung unsere Arbeitswelt verändern wird, aber wir wollen die Veränderung so mitgestalten, dass sie allen dient und nicht nur wenigen.

Recht auf Bildung

Es braucht Massnahmen, um Mitarbeitende aus schrumpfenden Geschäfts- und Berufsfeldern für wachsende Geschäfts- und Berufsfelder zu qualifizieren. Das kann nur in ausreichendem Mass gelingen, wenn in den Gesamtarbeitsverträgen ein klar definiertes  Anrecht auf Aus- und Weiterbildung verankert wird.

Um mit der digitalen Entwicklung Schritt zu halten, reichen herkömmliche Personalentwicklungskonzepte nicht aus. Gewerkschaften und Arbeitgeber müssen die Berufe und die Arbeitsbedingungen im Gleichschritt mit der technologischen Entwicklung weiterentwickeln, zum Wohl der Beschäftigten. Es braucht eine systematische Erfassung von Qualifikationen, die es in absehbarer Zeit nicht mehr brauchen wird. Und eine systematische Erfassung von Qualifikationen, die es neu aufzubauen gilt. Also eine strategische Planung in einer paritätischen Logik. Oder auch: Aus- und Weiterbildung statt «Hire and Fire». Unter den Bedingungen einer digitalen Wirtschaft reicht es nicht, wenn Angestellte ein paar wenige Weiterbildungstage pro Jahr zur Verfügung haben – die Ende Jahr erst noch verfallen, falls man sie nicht bezogen hat.

Aus- und Weiterbildungsansprüche sind in den Gesamtarbeitsverträgen (GAV) zu verankern. Ganz konkret, in Form von Zeit, Angebot und Geld. Diese Ansprüche dürfen Ende Jahr nicht verfallen, sondern sind auf individuelle und kumulierbare Weiterbildungskonti zu übertragen. Die Guthaben können später für eine aufwendige und intensive Weiterbildung wie ein Nachdiplomstudium eingesetzt werden, um die sogenannte Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten oder gar auszubauen. Genauso wichtig: Damit die Weiterbildung gelingt, muss eine rasche und unkomplizierte Pensenreduktion möglich sein.

Trügerische Freiheit

Die Digitalisierung erleichtert befristete und projektbezogene Arbeitsverhältnisse, etwa über Plattformen. Immer mehr Unternehmen betrachten Werktätige nicht mehr als Angestellte, sondern als selbständig Erwerbende. Oder als Teil eines sozialen Netzwerks.

Es braucht verlässliche Rahmenbedingungen, um unsichere Arbeitsverhältnisse zu regulieren: bezüglich Löhnen (Mindestlöhne), Sozialversicherungen oder Verfügbarkeit. Auch die mobile Arbeit ausserhalb eines Betriebs muss zeitlich beschränkt werden.

Das globale Gespenst des Crowdworkings, der Plattform-Ökonomie und anderen Ausbeutungsformen der digitalen Wirtschaft macht vielen Menschen Angst. Selbst arbeitsrechtliche Mindeststandards drohen zu erodieren. Doch die Digitalisierung birgt für Unternehmen nicht nur die Chance, Kosten zu senken, sondern ebenso die Gefahr, ihre Reputation zu beschädigen. Verstösse gegen die Menschenrechte oder die Ausbeutung von Arbeitskräften verbreiten sich im Internet rasend schnell, über den ganzen Planeten. Global tätige Unternehmen sehen sich dazu veranlasst, ethische Richtlinien einzuführen und umzusetzen. «Corporate Social Responsibility» wird zur Pflicht, um in der digitalen Weltöffentlichkeit nicht angeprangert zu werden und keine Marktanteile zu verlieren.

Schlüssel für die Gewerkschaftsarbeit

Die fragile Reputation von Firmen in der digitalen Öffentlichkeit müssen Gewerkschaften dazu nutzen, um Unternehmen verbindliche Zugeständnisse abzuringen und faire Arbeitsverhältnisse zu sichern. Es braucht dringend Regulierungen, um diese neuen Arbeitsverhältnisse zu schützen. In der Gesetzgebung genauso wie in Gesamtarbeitsverträgen.

Mitbestimmung

Mit dem Digitalisierungstempo beschleunigt sich die Komplexität in den Unternehmen und auf den Märkten. Wer mit der Entwicklung Schritt halten will, muss sich immer wieder neu erfinden; bereit sein, Althergebrachtes über Bord zu werfen und Neues auszuprobieren. Wer das nicht tut, riskiert, mittel- und langfristig von der Bildfläche gedrängt zu werden.

Das Tempo, in dem Unternehmen ihre Marktposition verlieren, ist wesentlich schneller geworden. Nach einer Erhebung des US-Ökonomen John Hagel betrug 1940 die durchschnittliche Lebenserwartung eines Unternehmens 75 Jahre. Heute noch 15.

Dem Innovationsdruck können Unternehmen nur gerecht werden, wenn sie die Partizipation der Angestellten stärken: durch mehr Verantwortung (Empowerment) und mehr Mitbestimmung.

Mit der Partizipation erlebt ein traditionelles Gewerkschaftsanliegen durch die Digitalisierung der Wirtschaft eine neue Dringlichkeit. Heute spricht man auch von «Empowerment», will heissen:

  1. Mitarbeitende sind so zu qualifizieren, dass sie den steigenden Anforderungen gewachsen sind.
  2. Ihnen sind entsprechend der Qualifikationen Kompetenzen und Handlungsfähigkeiten zuzusprechen.
  3. Darüber hinaus sind sie in die Lage zu versetzen, in einem ganzheitlichen Sinn Verantwortung für das Wohlergehen des Unternehmens zu übernehmen.

Letztlich geht es um diese Frage: Wie können die Weichen für eine menschenfreundliche Arbeit der Zukunft so gestellt werden, dass der Mensch nicht der Technik folgen muss, sondern der Mensch die Technik zu seiner Unterstützung steuert? Technologische Transformationen gelingen nur dann, wenn Mitarbeitende am Prozess beteiligt und nicht wie Figuren übers Schachbrett geschoben werden.

Big Data am Arbeitsplatz

Datenschutz und Datendemokratie

Wem gehören die Daten im Zeitalter von Big Data? Wie können wir sicherstellen, dass die Daten den Menschen nützen? Und wie den Schutz persönlicher Daten am Arbeitsplatz verbessern und ausbauen?

Die beschleunigte und vollständige Durchdringung neuster Kommunikationstechnologien, einhergehend mit einer konsequenten Vernetzung über das Internet entlang sämtlicher Wertschöpfungsketten, führt zu einer ständig wachsenden, immensen und komplexen Datenmenge. Datenmengen unterschiedlichster Herkunft können in kürzester Zeit zusammengeführt und ausgewertet werden. Damit erhält der Datenschutz eine neue Dimension. Genügen die heutigen gesetzlichen Rahmenbedingungen noch der neuen Herausforderung von «Big Data»? Wollen wir, dass in einer vernetzten Gesellschaft die Macht über alle Daten bei den privatwirtschaftlichen Konzernen liegt und die Unternehmen Daten bündeln, verarbeiten und ohne demokratische Kontrolle auswerten können? Was Facebook oder Google können, können auch andere Unternehmen. Wie kann man verhindern, dass Datenreichtum zu Missbrauch führt?

Es braucht eine umfassende Überprüfung und Weiterentwicklung des heutigen Datenschutzrechts. Es muss, wie die deutsche Gewerkschaft ver.di formuliert hat, «ein Grundrecht auf Anonymität im digitalen Alltag entwickelt werden». Denn es ist unvermeidbar, dass beim Nutzen der digitalen Möglichkeiten (Internet, E-Mail etc.)  elektronische Spuren hinterlassen werden.

Der Datenschutz für Angestellte muss bedingt durch die rasante Entwicklung am Arbeitsplatz kontinuierlich überprüft und angepasst werden. In einer digitalen Wirtschaft sind Datenschutzbedürfnisse zu achten und das Datenbewusstsein zu stärken.

Unsere Forderungen

  • Das Recht auf Privatsphäre ist ein Menschenrecht. Unternehmen müssen das Recht auf die eigenen Daten als Grundrecht anerkennen.
  • Die Datenschutzrichtlinien müssen bezüglich der neuen technologischen Möglichkeiten paritätisch überarbeitet und weiterentwickelt werden.
  • Persönliche Daten dürfen von den Unternehmen nur auf ausdrückliche Zustimmung der Mitarbeitenden ausgewertet werden – und nur für einen bestimmten Zeitraum, z.B. ein Jahr. Dabei muss die Anonymisierung so ausgestaltet sein, dass sie auch langfristig gewahrt wird.
  • Physiologische Daten (körperliche und geistige Zustände) dürfen grundsätzlich nicht erfasst werden. Ausnahmsweise kann die Erfassung für Präventionsprojekte durch eine paritätische Kommission bewilligt werden, wobei das schriftliche Einverständnis der Betroffenen eingeholt werden muss.
  • Mitarbeitende müssen jederzeit Zugriff auf ihre persönlichen Daten haben.
  • Die Trennung von privaten und geschäftlichen Daten muss gewährleistet sein.
  • Mitarbeitenden-Standortdaten, die Geschäftsprozessen dienen, dürfen nur während der Arbeitszeit erhoben werden.
  • Erfindungen und Designs, die von Arbeitnehmenden bei Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit, aber nicht in Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten gemacht werden, gehören den Arbeitnehmenden.

Deine Ansprechpartner zur
Digitalisierung am Arbeitsplatz

Daniel Hügli

Leiter Sektor ICT

Dominik Fitze

Mediensprecher ICT
058 817 18 14
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