Véronique Python © Jean-Patrick Di Silvestro

Ich hatte immer schon einen starken Charakter. Ich war jahrelang Geschäftsführerin, war also für die Führung der Mitarbeitenden verantwortlich und achtete darauf, dass der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) angewendet wurde. Vor meiner Tätigkeit bei der Post war ich aber niemals politisch oder sozial engagiert.

Ich hatte gerade als Pöstlerin angefangen, als die Pandemie ausbrach. Die Arbeitsbedingungen haben sich erschwert, grosse Mengen von Paketen mussten transportiert werden. Unser Arbeitgeber hat es zu weit getrieben, ohne auf unsere Ermüdungserscheinungen und unsere Gesundheit Rücksicht zu nehmen. Nach und nach kündigten Mitarbeitende und wurden nicht ersetzt. Mir wurde klar, dass viele der Errungenschaften des GAV nicht umgesetzt wurden. Also beschloss ich, mich gewerkschaftlich zu organisieren und zu versuchen, die Dinge ins Rollen zu bringen.

Es hat funktioniert! Ich kämpfte für mein Team und wir haben den wöchentlichen Ruhetag bekommen, den wir gefordert hatten. Das Gleiche gilt für das Höchstgewicht der einzeln zu befördernden Pakete. Der GAV bestimmt, dass wir nicht mehr als 31 Kilo gleichzeitig heben dürfen. Dabei sei erwähnt, dass wir manchmal Waschmaschinen hochheben mussten! Und es sind heute vor allem Frauen, die in der Zustellung beschäftigt sind.

«Uns zu mobilisieren, war die Rettung.»

Unsere Siege hatten einen Schneeballeffekt, andere Standorte haben begonnen, ihre Rechte einzufordern. syndicom half uns, Zugang zu wichtigen Informationen zu erhalten, und gab uns Gewicht in den Verhandlungen. Mit ihrer Struktur, die über eine gewisse Schlagkraft verfügt, die drohen kann, die Presse einzubeziehen und ihre Rechtsabteilung einzuschalten, ist es einfacher, Ergebnisse zu erzielen.

«Ich halte es für wichtig, dass sich junge Menschen gewerkschaftlich organisieren.»

Es ist für sie heutzutage vielleicht etwas schwieriger, da sie nebenbei auch ein Privatleben haben und die Arbeit nicht mehr unbedingt im Mittelpunkt steht. Aber mit dem Alter wurde mir persönlich klar, dass es absurde Situationen gibt, die nicht toleriert werden können. Eine Gewerkschaft kann uns schützen.

Ich hoffe, dass die Gewerkschaften immer eine wichtige Rolle spielen und uns weiterhin ermöglichen zu kämpfen. Arbeitnehmende haben gegenüber der Arbeitgeberschaft kein Gewicht, wenn sie sich nicht zusammenschliessen.

«Zusammen können wir Einfluss ausüben und uns Respekt verschaffen.»

Ohne Gewerkschaft jedoch fürchte ich, dass die Dinge ins Schleudern geraten.

Ich glaube, unser nächster Kampf muss auf die Erhöhung der Löhne abzielen. Und dann ist es notwendig, das AHV-Alter an die Berufsbelastung anzupassen. Ich persönlich weiss nicht, ob ich es bis 65 schaffe, Pakete auszutragen. Es ist körperlich sehr anstrengend.

Biographie von Véronique Python

Véronique Python wurde im Val d’Anniviers geboren und wuchs dort auf. Nach einer Ausbildung zur Coiffeurin leitete sie 7 Jahre lang den Salon einer französischen Marke, dann 16 Jahre lang ein Einzelhandelsgeschäft. Zwischen diesen beiden Tätigkeiten widmete sie sich ein Jahr lang ihrem ersten Sohn.

Erst 2018 wurde sie Pöstlerin. Als sie feststellte, wie hart der Beruf war, beschloss sie, einer Gewerkschaft beizutreten. Véronique ist seit zwei Jahren Mitglied des syndicom-Vorstands des französischsprachigen Wallis.

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