Das fordern Medienschaffende schon seit Jahren: Eine Besteuerung der multinationalen Online-Konzerne – Google, Apple, Microsoft, Amazon und die grossen sozialen Netzwerke –, die von anderen produzierte redaktionelle Inhalte übernehmen und wiederverwerten, ohne je einen Rappen Tantiemen zu bezahlen …

In der Schweiz wurde nach Konsultation der Organisationen der Medienbranche – syndicom, impressum, SSM, Schweizerischer Gewerkschaftsbund, Verlegerverbände und weitere – nun endlich ein entsprechender Gesetzentwurf ausgearbeitet. Dieser zeigt auf, wo ab 2026 angesetzt werden könnte, um Vergütungen auszuzahlen, die im Idealfall über 100 Millionen Franken ausmachen könnten. Es geht um Konzerne, deren Nutzungszahlen im Durchschnitt grösser sind als 10 Prozent der Schweizer Bevölkerung.

Stephanie Vonarburg
Stephanie Vonarburg, Vizepräsidentin syndicom und Leiterin Sektor Medien

Stephanie Vonarburg, Vizepräsidentin syndicom und Leiterin Sektor Medien, erklärt die wesentlichen Neuerungen. Sie warnt von vornherein: «Es muss weiter an allen Fronten gekämpft werden», man muss sich vor dem Ersatz-Effekt in Acht nehmen. Auch der Verband «Medien mit Zukunft» sieht darin eine Gefahr. Die Politik darf die Vorlage nicht als Vorwand nutzen, um sich aus dem Dossier Medienförderung zurückzuziehen.

Wo steht der Gesetzentwurf heute?

Stephanie Vonarburg: Der Bundesrat hat ihn mit der Botschaft ans Parlament überwiesen. Er wurde nach Expertenstudien und einer Vernehmlassung, in der auch syndicom Stellung genommen hat, erarbeitet. Der Entwurf enthält die Vorschläge des Bundesrats zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes. Diese schafft ein neues Leistungsschutzrecht. Die Botschaft ist relativ umfassend, und soweit ich gesehen habe, geht sie klar in die richtige Richtung – sofern die Eckpunkte beibehalten werden.

Bei der Beratung in den Kommissionen – denen für Wissenschaft, Bildung und Kultur des National- und des Ständerats – heisst es natürlich, ein wachsames Auge zu haben. Auch im darauffolgenden parlamentarischen Prozess, wo die Unterstützung für die Vorlage nicht garantiert ist.

Und schliesslich gilt es auch für die Realisierung des Gesetzes und die Gefahr eines Referendums. Insgesamt wurde die Vorlage in der Vernehmlassung aber befürwortet.

Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigen Punkte?

Wesentlich ist, dass die Snippets, d. h. Kurzmeldungen oder Auszüge aus Artikeln, Text- oder Bildvorschauen, durch das Schweizer Recht mit Hilfe einer Vergütung geschützt werden. Das ist bis jetzt noch nicht der Fall.

Mit diesem Gesetzentwurf entsteht ein Vergütungsanspruch, wenn Snippets veröffentlicht werden. Für uns war sehr wichtig, dass diese Vergütung nicht direkt an die Medien, sondern zuerst an eine Verwertungsgesellschaft geht. Konkret an ProLitteris, welche die Tarife zuerst mit den grossen Plattformen aushandelt. Meiner Meinung nach wurde dies in der Vorlage sinnvoll umgesetzt.

Wie wird das nach der Annahme des Gesetzentwurfs weitergehen?

Es ist ein kollektiver, paritätischer Mechanismus. Die Verwertungsgesellschaft wird bestellt, in diesem Fall ProLitteris. Deren Mitglieder sind die Autor:innen und die Medienunternehmen als Produzenten. Es gibt somit eine Garantie, dass die Vergütungen nicht in andere Taschen fliessen. Wir haben uns immer auch für weitere wichtige Grundsätze eingesetzt, wie die faire Verteilung der Einnahmen zwischen den Journalist:innen und Fotograf:innen – die Urheberrechte haben – und den Medien: Wir haben immer 50 zu 50 gefordert. Das ist nun in der Botschaft festgehalten. Wichtig ist, dass diese Bestimmung auch im Parlament beibehalten wird.

Weitere von syndicom vertretene Grundsätze dazu sind?

Die Verteilung der Vergütung unter den Medienhäusern soll nicht anhand der Klickzahlen oder der Performance der Beiträge definiert werden – denn diese können durch Algorithmen gesteigert werden. Das verhindert, dass den grossen Verlagen der überwiegende Teil der Einnahmen zufliesst. Die vorgesehene Verteilung ist darum degressiv und nicht quantifiziert, sondern trägt auch qualitativen Kriterien Rechnung. Das ist für die sehr kleinen Medienbetriebe wichtig, vor allem, wenn sie nicht Mitglied bei Schweizer Medien oder Medien Schweiz sind. Auch für jene, die anders organisiert sind, etwa im Verband Medien mit Zukunft, der den Gesetzesentwurf von Anfang an kritisch sah. Er befürchtete, dass hauptsächlich die Medienkonzerne von der Vergütung profitieren und sich die Ungleichheiten noch verschärfen. Oder dass notwendige Reformdebatten in der Medienpolitik auf Bundesebene verdrängt würden.

Kann die in der Vorlage vorgesehene Verteilung für eine Zeitung wie Le Courrier also interessant sein?

Absolut. Vor allem, weil die Kriterien auch nicht darauf beruhen, wie sichtbar zum Beispiel die von einer Zeitung publizierten Artikel in den Suchmaschinen sind oder wie viele Suchanfragen sie verzeichnen. Sie beruhen auch nicht auf den Online-Artikeln, die auf den grossen Plattformen hohe Besucherzahlen generieren. Man muss wissen, dass die Algorithmen den Aufwand berücksichtigen, den die Medienunternehmen in die Optimierung der Sichtbarkeit für die Suchmaschinen usw. investieren. Kleine und «alternative» Titel wie Le Courrier verfügen über deutlich geringere Mittel. Es ist daher wichtig, sie und andere Titel, die zur Politik-, Wirtschafts-, Lokal- oder Kulturberichterstattung beitragen, nicht zu benachteiligen.

Die Gesetzesvorlage soll also die Produktion von Journalismus von öffentlichem Interesse unterstützen. Diese Verteilung ist fair und auch insofern notwendig, als freischaffende Journalist:innen ebenfalls profitieren.

Viele Verlage verlangen von den Journalist:innen, dass sie Verträge unterschreiben, in denen sie alle ihre Urheberrechte abtreten …

In der Deutschschweiz ist das ein enormes Problem. Die Idee, die Rechte von angestellten und freien Journalist:innen zu integrieren und festzulegen, dass Medienunternehmen sich nicht durch spezielle Vertragsklauseln davon befreien können, stiess bei den Verlegern zunächst auf einen gewissen Widerstand.

Sie änderten aber ihre Meinung: Ein Gesetzentwurf, der die Forderungen der Berufsverbände enthält und diese Perspektive verteidigt, hatte aus ihrer Sicht grössere Erfolgschancen. Das ist ein weiterer wichtiger Fortschritt.

Welche anderen Fragen waren umstritten?

Es brauchte auch eine Einigung über die Organisation, welche die Vergütungen verteilen sollte, und über ihre Rechtsform. Einige Medienhäuser waren dagegen, vielleicht, weil sie grundsätzliche Bedenken gegen den neuen Anspruch an sich haben. Dieser betrifft unter anderem Google, das auch einen Sitz in der Schweiz hat. Die Verantwortlichen bei Google haben bereits zu verstehen gegeben, dass sie den Gesetzentwurf und die Botschaft des Bundesrats ablehnen. Google lobbyiert natürlich auch im Parlament in Bern. Es muss unbedingt geschafft werden, dass die zentralen Punkte der Vorlage nicht verändert oder verwässert werden.

Ist die Bilanz der Vorlage insgesamt also eher positiv?

Ja, aber … Dieses Gesetz war schon lange überfällig. Die bisher entgangenen Einnahmen können nicht wettgemacht werden: Das Gesetz gilt nicht rückwirkend.

Ein weiterer Punkt ist nicht in der Vorlage enthalten, seine Aufnahme hätte den Prozess aber verzögert: die Regulierung von Künstlicher Intelligenz. Bisher waren wir bei diesem Geschäft sehr zurückhaltend und konstruktiv. Wir wollten sichergehen, dass die zentralen Punkte auch nach der Vernehmlassung und in der Vorlage des Bundesrates erhalten bleiben. Angesichts des Lobbyings der Verlage war unser Vertrauen nicht sehr gross.

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