Mit Christian Dandrès (Präsident VPOD und Genfer Nationalrat SP) und Samuel Bendahan (Ökonom und Nationalrat SP Kanton Waadt) warnten an der Generalversammlung der Sektion Genève-La Côte am 22. März 2025 zwei engagierte Stimmen vor Risiken Künstlicher Intelligenz. Ihre Botschaft ist klar: KI ist nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch ein Problem der Macht.  Wenn die Technologie, die wir alle benutzen, von sehr wenigen, monopolartigen Konzernen bereitgestellt wird, wächst der Einfluss ihrer superreichen Besitzer im Staat und in der Gesellschaft. Bendahan spricht von der «Gefahr einer Oligarchie».

Produktivitätsgewinne kommen unten nicht an

Laut Samuel Bendahan ist das Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz in zehn Jahren um über 200 Milliarden Franken gewachsen. Die Produktivität hat um 50 % zugenommen, die Reallöhne stiegen nur um 15 %. «Die Rendite geht an die Inhaber:innen der Unternehmen, nicht an die Arbeitnehmenden», sagt er. Aus seiner Sicht kommt den Gewerkschaften eine Schlüsselrolle zu. «Die Technologien sollten das Leben der Menschen verbessern und bereichern und nicht die Arbeit ersetzen. Der Fortschritt soll der ganzen Menschheit zugutekommen. Wir müssen wieder die Kraft finden, zu kämpfen, zu mobilisieren und unsere Rechte vehementer einzufordern!»

Mobilisierung gegen die Ohnmacht

Mehrere Teilnehmende erklärten, sie verspürten angesichts der Komplexität des Themas eine gewisse Ohnmacht. Samuel Bendahan sagt dazu: «Hoffnungslosigkeit ist eine Riesengefahr in der Demokratie, sie kann sogar als Waffe benutzt werden. Die Weltbevölkerung ist demobilisiert, die Oligarchen haben leichtes Spiel. Wir müssen unser Umfeld überzeugen, das Terrain wieder besetzen, kämpfen. KI ist eine Gefahr, wenn sie nicht reguliert wird.»

Die Europäische Union ist vorangegangen und hat verbindliche Regelungen für Künstliche Intelligenz erlassen. Die Schweiz hält sich weiter zurück. Im Februar hat der Bundesrat mitgeteilt, er folge dem globalen Ansatz der EU nicht. «Die Abhängigkeit von den technologischen Oligarchen wird im Bundeshaus nicht angesprochen. Mit unserer direkten Demokratie könnten wir Urheberrechtsentschädigungen durchsetzen, die Tech-Unternehmen zur Einhaltung unserer Rahmenbedingungen verpflichten, Daten schützen und so weiter.»

Samuel Bendahan ist der Ansicht, dass die politischen Entscheidungsträger:innen die technischen Herausforderungen nicht wirklich erfassen: «Man spricht von Intelligenz, aber es handelt sich um Wahrscheinlichkeiten, nicht um menschliches Denken.» Deshalb sind Bildung und Sensibilisierung so wichtig.

Christian Dandrès betont: «Die Linke hat eine grosse Stärke – die Dialogkultur. Über die Diskussion kann man die Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Gesundheit am Arbeitsplatz wieder selbst in die Hand nehmen.»

Aufgaben der Gewerkschaften

Es ist Aufgabe der Gewerkschaften, zu verhindern, dass die Arbeitsverhältnisse durch KI noch unstabiler, unsicherer, prekärer werden:

  • Transparenz über Algorithmen und automatisierte Entscheidungen einfordern
  • Sicherstellen, dass in sensiblen Prozessen nach wie vor Menschen mitentscheiden
  • Arbeitnehmendenrechte verteidigen
  • Schulungen für die Aneignung der neuen Kompetenzen aushandeln

Würde am Arbeitsplatz

Christian Dandrès fordert einen umfassenderen Ansatz: «Es sollte nicht mehr allein um die Vertretung der Berufsinteressen gehen, sondern allgemeiner: um die Würde am Arbeitsplatz.» Dafür braucht es Solidarität, auch auf internationaler Ebene. Die Technologien beruhen auf der Ausbeutung menschlicher und natürlicher Ressourcen, häufig in Ländern des Südens.

Zum Abschluss bringen die beiden Teilnehmenden zwei zentrale politische Forderungen vor:

  • Schaffung eines staatlichen Datenzentrums
  • Besteuerung der mit KI erzielten Gewinne

Diese Ansätze sind angesichts der Budgetkürzungen und Angriffe auf den Service public mit Nachdruck voranzutreiben.

Unsere Forderungen:

Dass sich die Arbeitswelt durch die Digitalisierung und KI verändert, ist unvermeidbar. Es steht aber noch nicht fest, was wir daraus machen. Die Frage ist nicht, ob diese Transformation erfolgt, sondern wie wir sie gestalten. Hier ist die Stimme der Gewerkschaften zentral.

  • Die Arbeitnehmenden und ihre Gewerkschaften müssen in die Entscheidungen über die Art und Weise, wie KI in der Arbeitswelt eingeführt und genutzt wird, einbezogen werden;
  • KI darf nicht verwendet werden, um Grundrechte wie die Gewerkschaftsfreiheit und das Recht, sich zu organisieren, einzuschränken;
  • algorithmische Entscheidungsfindung darf nicht ohne menschliche Kontrolle geschehen, vor allem im Bereich Beschäftigung, Löhne, Arbeitsbedingungen.

syndicom will ausserdem eine striktere internationale Regulierung, insbesondere eine verbindliche Konvention der IAO über  «Würdige Arbeit in der Plattformwirtschaft ». Das ist eine der Hauptforderungen der internationalen Gewerkschaftsbewegung für die Internationale Arbeitskonferenz der IAO im Juni 2025.

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