Lützelflüh im Emmental ist vor allem als Wirkungsstätte des Schriftstellers Jeremias Gotthelf (1797–1854) bekannt, der hier die letzten 22 Jahre seines Lebens verbrachte. Hier wohnen aber auch Daniel und Remo Wampfler. Wir treffen die beiden Postangestellten, Vater und Sohn, die sich auch gewerkschaftlich bei syndicom engagieren, zum Gespräch an der idyllischen Emme.

Nachdem er sich zunächst zum Säger und zum Zimmermann ausbilden liess, stieg Daniel Wampfler vor nicht weniger als 37 Jahren bei der Post ein. Seit damals arbeitet er in wechselnden Rollen von Burgdorf aus, mittlerweile als Paketträger. Er schätzt die Vielseitigkeit des Berufs, das Unterwegssein und hat viele kuriose Anekdoten zu erzählen.

Personalmangel bedeutet eben Mehrarbeit

Aber auch er spürt, wie sich in den letzten Jahren nicht alles zum Guten entwickelt hat: «Was uns in letzter Zeit viel zu schaffen macht ist der zunehmende Personalmangel. Das führt zwangsläufig zum Zusammenlegen der Touren», so Daniel. Wenn Touren zusammengelegt werden, dann heisst das im Klartext, dass die Arbeit eines fehlenden Mitarbeiters auf die Schultern der anderen verteilt wird. Dies führe nicht nur zu längeren Arbeitstagen, sondern auch zu mehr Fehlern in der Zustellung und aufgrund des Zeitdrucks und der Müdigkeit leider auch zu gefährlichen Situationen im Strassenverkehr.

Ein grosses Thema ist ein vor ein paar Jahren eingeführtes Routenplanungssystem. Vater und Sohn Wampfler sparen nicht mit Kritik: «Das ist eine Post-interne Software, die einem vorgibt, wo und wann welches Päckchen zugestellt sein sollte. Allerdings sorgt das auch für mächtig Stress, da die Zusteller so unter ständigem Zeitdruck stehen.» Zwar sei es für neue, noch nicht ortskundige Mitarbeitende zunächst hilfreich, doch je erfahrener man sei, desto weniger sei man darauf angewiesen. Abstellen geht aber leider nicht.

Die Post und ihr Nachwuchs, keine Liebesgeschichte

Als Remo jünger war, begleitete er seinen Vater immer wieder mal bei den Touren, er lernte die Post schon früh gut kennen. Als es dann darum ging, eine Lehrstelle zu suchen, lag die Wahl des Logistikers quasi auf der Hand. Bereut hat er diesen Schritt nicht. Und auch wenn er seine langfristige berufliche Zukunft noch offen lässt, stimmt es gerade für ihn als Brief- und Paketträger.

Die hohe Fluktuation, ganz besonders bei jungen Mitarbeitenden, ist ein Problem bei der Post. Sohn Remo berichtet: «Nach meiner Rekrutenschule, die 18 Wochen dauerte, kam ich zurück zur Arbeit und war erstaunt, dass sich in dieser kurzen Zeit ein Drittel des Teams verändert hatte.» Die Post muss für junge Leute wieder attraktiver werden, da sind sich beide einig. Heutzutage würden viele die Post nach der dreijährigen Berufslehre wieder verlassen. Die körperliche Belastung ist hoch und fordert ihren Tribut. Aber auch ein Grund dafür sind sicherlich die tiefen Einstiegsgehälter.

Pragmatischer Einsatz für die Gewerkschaft

Das gewerkschaftliche Engagement hat schon Tradition in der Familie Wampfler: Daniel feierte kürzlich sein 25-Jahr-Jubiläum als Mitglied. Dazu sitzt er in diversen Kommissionen und ist Sektionspräsident. Daniel und Remo sind beide aktive Werber innerhalb des Betriebs und vermitteln regelmässige neue Mitglieder.

Für beide stellt es eine Selbstverständlichkeit dar, neuen Kolleg:innen die Vorzüge und Vorteile der Gewerkschaft näher zu bringen. Gerade für junge Angestellte, die zum Beispiel nicht wissen, wie ein Gesamtarbeitsvertrag funktioniert, oder noch keinen Gedanken an die Altersvorsorge verschwendet haben, ist es hilfreich zu wissen, dass es mit der Gewerkschaft eine arbeitnehmerfreundliche Anlaufstelle gibt, die einem bei diesen komplexen Sachverhalten die Hand reicht.

Am einfachsten zu überzeugen sind natürlich Kollegen, mit denen man ohnehin gut auskommt. Auch der Rechtsschutz oder die Kursbesuche, die man als Post-Mitarbeiter auf Arbeitszeit besuchen darf, sind gute Argumente für eine syndicom-Mitgliedschaft. Zwingen tun sie aber niemanden: «Die Eigeninitiative für die Mitgliedschaft muss letztlich immer vom Gegenüber kommen.» So vereinen sie Idealismus mit Pragmatismus.

Auch über die Art und Weise, wie ein Gewerkschafter zu sein hat, haben sie entspannte Ansichten. Ob am 1. Mai zuvorderst im Block mit Megafon, Fahne und Trillerpfeife oder als stiller Schaffer, der im Betrieb die Leute von einer Mitgliedschaft überzeugt. Richtig oder falsch gibt es nicht. Wichtig sei vor allem die Erkenntnis, dass man nur gemeinsam und nicht als Einzelkämpfer die Arbeitsbedingungen nachhaltig verbessern kann.

Wenn sie einen Tag lang Post-Chef wären…

Auf die Frage was sie ändern würden, wenn sie einen Tag lang Konzernchef bei der Post wären, fallen die Antworten unterschiedlich aus. Remo würde als erste Amtshandlung sich und seinen Kolleg:innen den Lohn erhöhen. Vater Daniel würde eine neue Fehlerkultur im Management einführen: In den vergangenen Jahren wurden viele kostspielige Projekte eingeführt, die für das Personal vor allem zusätzlichen Aufwand und Stress bedeuteten. Nur geradestehen wollte in der Folge niemand dafür.

Trotz aller berechtigter Kritik schätzen beide die vielen positiven Seiten ihrer Arbeit. Die Vielseitigkeit der Aufgaben, das Unterwegssein und der damit einhergehende Kontakt zu den Menschen sind eine tolle Sache. Allerdings wünschen sie sich mehr Wertschätzung von Seiten des Managements durch bessere Arbeitsbedingungen. Beiden ist bewusst, dass neue Technologien und veränderte Kommunikationsgewohnheiten das traditionelle Geschäftsmodell der Post in Frage stellen. Einerseits nimmt das Briefvolumen ab, andererseits boomt das Paketgeschäft. Neue Dienstleistungen wie die Auslieferung von Lebensmitteln werden von ihnen positiv bewertet.

Das Gespräch beweist, die Post muss auf akrobatische Art und Weise den Spagat zwischen Digitalisierung und persönlichem Service, zwischen Effizienz und Mitarbeiterzufriedenheit meistern. Nur so kann sie auch künftig ihre wichtige Rolle für den Service public in der Schweiz einnehmen.

Biografie von Daniel und Remo Wampfler

Nach seiner Ausbildung zum Säger und Zimmermann trat Daniel Wämpfler vor nicht weniger als siebenunddreissig Jahren in den Dienst der Post. Er hatte verschiedene Stellen in Burgdorf inne, wo er heute als Zusteller tätig ist. Er schätzt die Vielseitigkeit seines Berufs, das Unterwegssein und hat viele Anekdoten zu erzählen.

Remo Wämpfler ist 20 Jahre alt. Er hat bei der Post eine Lehre als Logistiker absolviert und arbeitet heute dort als Brief- und Paketzusteller. Er tritt in die Fussstapfen des Papas und ermutigt seine Kolleg:innen, der Gewerkschaft beizutreten. In der Freizeit trainiert er im Fitnessstudio und spielt Basketball.

Sie leben beide in Lützelflüh im Emmental.

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