«Wir müssen heute mehr denn je zusammenhalten»
Text: Baptiste Fellay
Foto: Jean-Patrick Di Silvestro

«Ich bin in der Gewerkschaft, weil es für mich unlogisch wäre, es nicht zu sein.»
Ich bin ein kämpferischer Mensch. Das braucht es, um die Rechte der Arbeitnehmenden zu verteidigen und sich in einer politischen Partei wie der SP im Wallis zu engagieren. Aber ich glaube vor allem daran, dass wir die Kämpfe gemeinsam führen müssen.
Nur dank gemeinsamer Anstrengungen konnten wir mit Resultaten rechnen. In meinem Sektor gab es viel zu tun. In den Druckereien hat sich sehr vieles verändert. In den letzten Jahren habe ich die Entlassungswellen in den Printmedien und in der grafischen Industrie – vor allem durch das Verschwinden des Papiers – miterlebt. Ganze Firmen werden überflüssig. Ich habe gesehen, wie sich die Gewerkschaften mit allen Kräften in den Sozialplanverhandlungen einsetzten. Als frisch Pensionierter konnte ich im Februar letzten Jahres selber meine Kolleg:innen von «Le Nouvelliste» und EHS Médias unterstützen. Mir fiel auf:
«Meine Kolleg:innen, die in der Gewerkschaft waren, behielten alle ihre Stelle.»
Ein weiterer Beweis, dass die Schlagkraft der Gewerkschaften noch gefürchtet ist.
Ich glaube, dass sich die Menschen im Wallis dessen zu wenig bewusst sind. Man denkt, dass die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft etwas Subversives ist, dass die Vorgesetzten nichts von einer Verbindung zur Gewerkschaft wissen dürfen. Etwas befremdlich. Bei der Entlassungswelle im Februar wollten meine ehemaligen Kolleg:innen die Gewerkschaft nicht einbeziehen, sondern direkte Gespräche mit ESH aufnehmen. Wie es gesetzlich vorgesehen ist – da die Kündigungen ein gewisses Ausmass überstiegen –, engagierten sich die beiden Gewerkschaftssekretärinnen von syndicom dennoch und erreichten eine Verbesserung des Sozialplans.
Mein Engagement hängt zusammen mit diesem Arbeiterbewusstsein, das im Laufe der Jahre Fortschritte angetrieben hat. Ich bin mir bewusst, dass wir deshalb Rechte haben, weil andere vor uns dafür gekämpft haben. Die Unternehmen sind immer profitabler, aber die Löhne steigen nicht mehr. Wir müssen unseren Anteil am Wirtschaftswachstum einfordern. Die gesamte Gesellschaft profitiert von den Siegen der Arbeitnehmer:innen. Wenn Löhne steigen, bleibt das Geld nicht auf der Bank liegen. Sondern fliesst direkt wieder in die reale Wirtschaft.
Eine meiner grossen Sorgen für die nächsten Jahre ist das Vorrücken der Künstlichen Intelligenz. Wie beim Rückgang der Printmedien kann man sich nicht dagegen wehren. Es werden unweigerlich Arbeitsplätze verloren gehen. Längerfristig entstehen zwar neue Berufe. Aber wir müssen für diejenigen kämpfen, deren Arbeit nicht mehr existieren wird. Ihre Stellen werden zwar vielleicht nicht gerettet werden können. Aber es geht darum, das Minimum an Respekt einzufordern, das ihnen zusteht.
«Auf uns und vor allem auf die junge Generation warten viele Herausforderungen.»
Es ist aber schwierig, die Jungen von einem Gewerkschaftsbeitritt zu überzeugen. Wir verlieren immer mehr aus den Augen, wie wichtig das gemeinsame Handeln ist. Es braucht unbedingt ein Mittel, um bei den Jüngeren wieder ein solches Bewusstsein herzustellen.
Wir sehen den aktuellen sozialen Kahlschlag in den USA, einem Land, das mehr an das Individuum und die eigene Leistung als an den kollektiven Kampf glaubt. Europa muss mit gutem Beispiel vorangehen. Allerdings dürfen wir unsere Gewerkschaftsgeschichte nicht vergessen.
Biografie von Jean-Pierre Bodrito
Jean-Pierre Bodrito kam 1959 als Kind italienischer Eltern in St-Maurice zur Welt. Er erlernte den Beruf des Fotolithografen, der heute praktisch verschwunden ist. Mit 37 machte er eine Ausbildung zum Techniker grafische Industrie. Wie schon sein Vater, Schriftsetzer, blieb er über 30 Jahre als Leiter Druckvorstufe bei der Zeitung «Le Nouvelliste». Er engagierte sich in der damaligen Gewerkschaft Comedia.
Seit März 2023 ist er pensioniert, aber weiterhin im Zentralvorstand von syndicom, im Vorstand der Sektion Wallis von syndicom, wo er auch Co-Präsident war, im Vorstand der Union Syndicale Valaisanne und Vizepräsident des Generalrats von Sion.