«Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort»
Die Haltung der Gewerkschaften ist klar: Ja zu Europa. Aber Nein zu bilateralen Abkommen ohne Schutz von Löhnen und Service public.
Text: Giovanni Valerio
Das Wichtigste in Kürze
- Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) unterstützt den bilateralen Weg, wenn die Löhne und der Service public gesichert sind.
- Das Prinzip Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort muss für alle gelten, ohne Lohndumping.
- Der SGB geht in die Offensive: Er fordert allgemeinverbindliche Gesamtarbeitsverträge, verschärfte Sanktionen und einen besseren Schutz für prekäres Personal.
- Die Botschaft ist klar: Ohne solide soziale Garantien gibt es keine gewerkschaftliche Unterstützung für die Bilateralen III.
Verträge und Verstimmungen
Die Schweiz liegt im Herzen des europäischen Kontinents und ist von EU-Mitgliedstaaten umgeben. Diese 27 Staaten sind bei weitem ihre wichtigsten wirtschaftlichen und politischen Partner. Die Schweiz unterhält mit ihnen politische Beziehungen auf der Grundlage sektorieller bilateraler Abkommen: das ist der sogenannte bilaterale Weg.

Insgesamt wurden rund 140 Abkommen geschlossen. Die Bilateralen I und II umfassen Bereiche wie Handel, Mobilität von Arbeitskräften, Energie, Forschung, Umwelt, Asyl und innere Sicherheit.
Die Bilateralen III umfassen die Aktualisierung der fünf bestehenden Marktzugangsabkommen: Freizügigkeit, Abbau technischer Handelshemmnisse, Land- und Luftverkehr sowie Landwirtschaft. Ausserdem sollen abgeschlossen werden: zwei neue Abkommen über Elektrizität und Lebensmittelsicherheit, Regeln für staatliche Beihilfen, ein Abkommen über die Teilnahme an EU-Programmen, ein Abkommen über die finanzielle Beteiligung der Schweiz und eines für einen politischen Dialog auf höchster Ebene.
Für die Schweiz ging es bei diesen – seit Jahrzehnten andauernden – Verhandlungen immer darum, den Zugang zum EU-Markt dauerhaft zu sichern, um mit möglichst wenigen Hindernissen möglichst viele Waren und Dienstleistungen in der EU kaufen und verkaufen zu können. Dies gilt insbesondere für den Schutz der Löhne, der Sozialhilfe und der staatlichen Beihilfen.
Löhne, Spesen und Kontrollen verteidigen
Aber die neuen Abkommen schwächen den Schutz der Arbeitnehmer:innen. Seit dem 20. Dezember 2024, als der Abschluss der Verhandlungen mit Brüssel bekannt gegeben wurde, haben die Gewerkschaften immer wieder darauf hingewiesen, dass es daher nicht in Frage komme, sie in ihrer jetzigen Form zu akzeptieren. Auch der Bundesrat teilt diese Diagnose und anerkennt die Notwendigkeit zusätzlicher flankierender Massnahmen, um die negativen Auswirkungen auszugleichen.

«Europa ja, aber nicht um jeden Preis»: Pierre-Yves Maillard, Präsident des SGB, bei der ausserordentlichen Versammlung am 31. Januar. ⊳ Medienmitteilung SGB
Die grösste Meinungsverschiedenheit betrifft die Behandlung von ⊳ entsandten Arbeitnehmenden, d. h. Arbeitnehmer:innen mit Wohnsitz im Ausland, die zur Ausführung von Aufträgen in die Schweiz geschickt werden.
- Die Verkürzung der Voranmeldefrist von 8 auf 4 Tage für entsandte Arbeit wird die Kontrollen erheblich erschweren. Darüber hinaus möchte die EU physische Kontrollen vor Ort durch digitale Prüfungen ersetzen, was der Ausbeutung Vorschub leisten könnte.
- Spesen gewähren nach den Standards des Entsendelandes: Dies würde entsandten Arbeitnehmer:innen aus der EU die Mittel nehmen, um ihren Lebensunterhalt in der teuren Schweiz würdig zu bestreiten. Sie nicht nach den Schweizer Kosten zu entschädigen, trägt zum Lohndumping und zur Prekarisierung dieser Personen bei.
- Die von den Unternehmen gezahlte Kaution: Sie kann bei Lohndumping als Geldstrafe eingezogen werden. Die EU will sie zu Fall bringen, was es schwierig bis unmöglich macht, Bussgelder im Ausland einzutreiben.
Nächster Streitpunkt
Die Schwächung des Service public durch die Liberalisierung des ⊳ Schienenverkehrs sowie des ⊳ Strommarktes.