Schweizer Recht auf Schweizer Schienen
Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) will keine Liberalisierung des Schienenverkehrs. Zum Schutz der Schweizer Löhne und weil die Privatisierung in vielen anderen europäischen Ländern gescheitert ist.

Text: Giovanni Valerio
Das Wichtigste in Kürze
- SEV gegen Bahnliberalisierung: Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) lehnt die unkontrollierte Öffnung des Schweizer Bahnmarktes ab. Sie fürchtet eine Verschlechterung der Qualität und der Arbeitsbedingungen.
- Nein zum Flixbahn-Modell: Der Flixbus auf der Schiene stellt für den SEV eine Bedrohung für das strukturierte, zuverlässige und integrierte Schweizer Bahnsystem dar.
- Wenig beruhigende europäische Beispiele: In Deutschland, Frankreich oder Grossbritannien hat die Liberalisierung oft zu Konkursen, schlechterer Dienstleistungsqualität und einer Rückkehr zur öffentlichen Bewirtschaftung geführt.
Wenn Europa entgleist
In Frankreich zog sich der Staat 2006 aus dem Schienen-Güterverkehr zurück. Seitdem ist er stark zurückgegangen und macht heute nur noch 9 % des gesamten Güterverkehrs aus. Nichts wurde und wird zu seiner Rettung getan.
In Deutschland kam es zum Konkurs von Abellio, eier Tochter der Niederländischen Eisenbahnen NS, die rund 50 Verbindungen in drei Bundesländern betrieb. Mit Tiefpreisen sicherte sich Abellio ausgeschriebene Aufträge, fand dann aber kein Personal. Das Rollmaterial wurde nicht pünktlich geliefert, der Service war schlecht und die Pandemie besorgte den Rest. Abellio musste den Betrieb einstellen. In Baden-Württemberg zum Beispiel wurden die Linien von öffentlichen Unternehmen übernommen.
Die spektakulärste Umkehr ist in England zu beobachten. Die altehrwürdige staatliche British Rail wurde 1993 zerschlagen, um 26 Konzessionen zu schaffen, die ausgeschrieben wurden. Die Infrastruktur wurde 2002, mit einem massiven öffentlichen Investitionsplan, wieder verstaatlicht.
Während die privaten Betreiber in sechs Jahren 3,3 Milliarden Pfund Sterling an Dividenden kassiert hatten (ab 1996), waren die Probleme bei der Verkehrssicherheit immer schlimmer geworden, insbesondere der ungebremste Preisanstieg, die Überalterung des rollenden Materials und die katastrophale Unpünktlichkeit. Für die Arbeitnehmenden war es noch schlimmer: Prekarität, Unfälle und Todesfälle bei der Arbeit.
Das Oberhaus stimmte am 20. November 2024 für die Renationalisierung und die Gründung einer einzigen öffentlichen Bahngesellschaft. Eine zentralisierte Verwaltung ist effizient und erzielt Kosteneinsparungen, während die Zerstückelung in autonome Konzessionen das Gegenteil bewirkt hatte.