«Die Verleger vernichten die Druckindustrie»
Den gedruckten Zeitungen weht ein scharfer Wind entgegen. Erst vor Kurzem wurde das Tamedia-Druckzentrum in Bussigny geschlossen, die Einstellung der Papierausgabe von 20 Minuten ist angekündigt. Eine bewusste Strategie – sagt Joëlle Racine, Regionalsekretärin von syndicom und zuständig für die grafische Industrie.
Text: Eric Budry, erschienen am 10. Oktober 2025 in Le Courrier
In der Nacht vom 14. auf den 15. März dieses Jahres kam das endgültige Aus. Ein letztes Mal ratterten die Druckmaschinen. Danach wurde es still im Druckzentrum Lausanne (Bussigny) der TX Group, welche La Tribune de Genève, 24 heures und 20 Minutes herausgibt. Die letzte, 1989 mit viel Pomp eröffnete Grossdruckerei in der Romandie schloss ihre Tore. Der Entscheid kostete 63 Mitarbeiter:innen ihre Stelle und gefährdet das gesamte Know-how für den Zeitungs- und Zeitschriftendruck in der Romandie.
Verheerende Folgen für die Angestellten

Fünf Monate nach der Schliessung hat knapp ein Drittel der Entlassenen wieder eine Stelle gefunden, schätzt Joëlle Racine von syndicom, ohne aber über genaue Zahlen zu verfügen. «Für ältere Beschäftigte und die Drucker:innen dürfte es natürlich am schwierigsten sein, wieder in den Arbeitsmarkt zu finden», sagt die Verantwortliche für die grafische Industrie der Romandie bei syndicom.
«Im Sozialplan ist zwar die Finanzierung von Weiterbildungen vorgesehen. Sobald Entlassene aber arbeitslos gemeldet sind, dürfen sie tagsüber keine Kurse mehr besuchen, weil sie sonst ihre Ansprüche auf Arbeitslosenentschädigung verlieren. Möglichkeiten für eine echte berufliche Umschulung sind dadurch stark beschränkt.»
Neben den Folgen für die Menschen bedauert Joëlle Racine auch «den Verlust an Know-how und das Verschwinden eines alten Berufs. Es existieren in der Romandie noch Druckereien, aber grosse Rotationsmaschinen wie in Bussigny gibt es keine mehr», sagt die Gewerkschafterin. «Das gibt Nachwuchsprobleme. Heute lassen sich nur noch sehr wenige Jugendliche in diesem Bereich der grafischen Industrie ausbilden. Es ist kein Traumberuf mehr.»
Dennoch meint sie: «Die Behauptung, Print habe keine Zukunft mehr, basiert nicht auf den tatsächlichen Bedürfnissen der Leser:innen.» Und sie verweist darauf, dass die gedruckten Exemplare immer noch für den grössten Teil der Einnahmen der Zeitungen sorgen. «Die TX Group, die Tamedia gehört, verfolgt mit ihrer Vernichtung der Druckindustrie eine Strategie der verbrannten Erde», sagt sie.
Der Konzern hat eine enorme Verantwortung angesichts der Lage der Presse.
Es wird noch schlimmer
Tamedia plant aber nicht, es bei dieser Schliessung zu belassen. Der grösste Schweizer Medienkonzern will im Rahmen seiner Restrukturierung Ende 2026 auch die Druckerei in Zürich aufgeben, die grösste schweizweit. Übrig bleiben wird nur noch das Druckzentrum in Bern, wo bereits die französischsprachigen Titel des Konzerns, wie La Tribune de Genève, 24 heures und Le Matin Dimanche, gedruckt werden. Sowie konzernunabhängige Titel wie La Liberté.
Die Geschäftsleitung hat zwar einen Ausbau der Druckerei in Bern zugesichert. Doch dass dieses Zentrum alles bewältigen kann, ist eine kühne Annahme. Umso mehr, als in den Redaktionen der Romandie die Weisung erlassen wurde, sich anstatt auf die gedruckte Zeitung voll auf das Digitalgeschäft zu konzentrieren. Die Printausgaben zahlreicher Tamedia-Zeitungen dürften also ziemlich bald Geschichte sein.
Tatsächlich wird der Plan bereits umgesetzt. Ende 2025 verschwindet die Printversion der Gratiszeitung 20 Minuten. Aber die Einsparungen bei der Produktion werden nicht etwa in die Stärkung der Redaktionen investiert. Tamedia wird gleichzeitig einen Drittel der Stellen im Journalismus abbauen und die West- und Deutschschweizer Redaktionen zusammenlegen. Das verheisst nichts Gutes für die künftige Qualität des journalistischen Angebots des Titels!