Löhne und Renten müssen zum Leben reichen – so lautet die zentrale Forderung des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Angesichts steigender Preise, Mieten und Krankenkassenprämien geraten die Löhne und Einkommen der Arbeitnehmenden zunehmend unter Druck. Um der Inflation entgegenzuwirken, werden jährlich Lohnverhandlungen geführt.

Auch Rentnerinnen und Rentner sind von der Teuerung stark betroffen, da ihre Renten jedes Jahr an Kaufkraft verlieren. In der Schweiz wird die Anpassung an die Teuerungsentwicklung in den Sozialversicherungen – AHV/IV, Unfallversicherung und berufliche Vorsorge (BVG) – unterschiedlich gehandhabt. Die AHV-Renten werden in der Regel alle zwei Jahre vom Bundesrat basierend auf einem Mischindex aus Lohn- und Preisentwicklung angepasst.

Anders verhält es sich bei den BVG-Altersrenten. Obwohl das Gesetz (Art. 36 BVG) eine Anpassung an die Preisentwicklung vorsieht, liegt diese bei den Altersrenten im Ermessen der finanziellen Lage der Pensionskasse. Der Stiftungsrat der Pensionskassen ist gesetzlich verpflichtet, jährlich zu prüfen, ob Rückstellungen, Überschüsse oder freie Mittel (z. B. bei einem Deckungsgrad von 115 %) ausreichen, um die Renten an die Teuerung anzupassen. Dabei muss das Gleichbehandlungsprinzip gewahrt bleiben: Weder die aktiven Versicherten noch die Rentenbeziehenden dürfen bevorzugt oder benachteiligt werden.

Trotz gesetzlicher Grundlage und der Tatsache, dass viele Pensionskassen über freie Mittel verfügen, wurde die Mehrheit der Altersrenten nie an die Teuerung angepasst. Eine Person, die im September 2002 mit einer monatlichen Rente von 3’000 Franken in den Ruhestand trat, erleidet heute einen Kaufkraftverlust von 397 Franken pro Monat.

Gute Anlagerenditen der Pensionskassen kommen bisher überwiegend den aktiv Versicherten zugute, z. B. durch höhere Verzinsungen ihrer Altersguthaben. Dies ist grundsätzlich sinnvoll, um Zinslücken zwischen Aktiven und Rentnern zu verringern oder Teile der Teuerung den Guthaben der aktiv Versicherten gutzuschreiben.

Am 3. Dezember 1972 wurde das Dreisäulenprinzip der Altersvorsorge in der Bundesverfassung verankert. Die erste Säule (AHV/IV/EL) soll den Existenzbedarf abdecken, während die zweite Säule (BVG) zusammen mit der AHV/IV die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung ermöglichen soll. Der Bundesrat definierte 1976 das Leistungsziel der Altersvorsorge mit 60 % des letzten Bruttolohnes bzw. 70 % des letzten Nettolohnes. Damals trug die AHV bis zu 70 % der Gesamtrente bei, je nach Zivilstand und Einkommen.

Heute ist dieses Leistungsziel aus den Augen verloren gegangen. Altersrenten liegen oft deutlich unter den angestrebten 70 % des letzten Nettolohnes. Gründe dafür sind die politisch gewollte Schwächung der AHV, die Senkung der Umwandlungssätze und der Verzicht auf einen Teuerungsausgleich bei BVG-Altersrenten. Infolgedessen reichen die Renten vielfach nicht mehr aus, um den Lebensunterhalt zu sichern.

Viele Pensionskassen sind finanziell stabil. Nach der Umbruchphase 2022 stieg der durchschnittliche Deckungsgrad: Bei privatrechtlichen Kassen liegt er bei 120 %, bei öffentlich-rechtlichen Kassen bei 112,4 %. Die durchschnittliche Rendite 2023 betrug 5,1 %, und die Aussichten für 2024 sind optimistisch. Es wird erwartet, dass bis Ende September 2024 etwa die Hälfte der privatrechtlichen Kassen über freie Mittel verfügen wird – Mittel, die für Leistungsverbesserungen sowohl für aktive Versicherte als auch für Rentnerinnen und Rentner eingesetzt werden könnten.

Es ist Zeit, dass Arbeitnehmervertretungen in den Stiftungsräten das Thema Teuerungsausgleich für Rentnerinnen und Rentner in den Fokus rücken. Nur durch Leistungsverbesserungen für alle Versicherten kann das ursprüngliche Leistungsziel der Altersvorsorge wieder erreicht werden – für ein würdevolles Leben im Alter!

Giorgio Pardini

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