Ich bin syndicom-Mitglied aus Überzeugung und möchte mich auch in der Firma für meine Kolleginnen und Kollegen einsetzen, sie vor der Geschäftsleitung vertreten. Könnte ich deshalb «aus Rache» entlassen werden?

Die Koalitionsfreiheit oder das Recht, sich gewerkschaftlich zu betätigen, ist in der Bundesverfassung (Art. 28) verankert. Dort werden die Gewerkschaftsvertreterinnen oder die von den Arbeitnehmenden gewählten Vertreter innen allerdings nicht ausdrücklich erwähnt. In erster Linie ist der Schutz der Arbeitnehmervertretenden im Mitwirkungsgesetz (Art. 12) festgelegt. Dieses Gesetz hat einen breiteren Geltungsbereich als das Obligationenrecht (OR), sieht aber keine spezifischen Sanktionen vor wie das OR. Im Arbeitsrecht herrscht eine grundsätzliche Vertragsfreiheit. Artikel 336 OR enthält aber eine nicht abschliessende Liste von Fällen, in denen eine Kündigung missbräuchlich ist. Der Begriff der missbräuchlichen Kündigung selbst wird allerdings nicht definiert. Gemäss der Lehre ist eine Kündigung missbräuchlich, wenn die Gründe, auf denen sie beruht, unserem Gerechtigkeitsempfinden zuwiderlaufen, weil sie mit den in der heutigen Gesellschaft anerkannten Werten im Widerspruch stehen. Missbräuchlich sind insbesondere Kündigungen wegen der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft oder der rechtmässigen Ausübung einer gewerkschaftlichen Tätigkeit (Art. 336 Abs. 2 Bst. a und b). Dabei handelt es sich um eine relativ zwingende Bestimmung. Das heisst, es darf nicht zum Nachteil der Arbeitnehmenden davon abgewichen werden.

Wenn ich als Arbeitnehmervertreterin gewählt werde: welchen Handlungsspielraum habe ich, besonders was die Zeit angeht, die ich für die Wahrnehmung des Mandats benötige?

Damit die gewerkschaftliche Tätigkeit geschützt ist, muss sie rechtmässig und gemäss dem Arbeitsvertrag (oder dem Gesamt- bzw. Normalarbeitsvertrag) ausgeübt werden. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber das Recht, die Ausübung der gewerkschaftlichen Tätigkeit durch Vertrag, Reglement oder Anordnungen einzuschränken (vgl. Art. 321d OR), wenn diese Einschränkung auf objektiven Gründen beruht. Dazu gehören etwa das Interesse an einem ungestörten Betriebsablauf oder die Kundenbeziehungen. Die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmenden haben keinerlei besondere Privilegien in Bezug auf ihre Treuepflicht. Anders ist es bei den gewählten Arbeitnehmervertreter* innen, die ihre Tätigkeit während der Arbeitszeit ausüben können, wenn die Wahrnehmung ihrer Aufgabe es erfordert und ihre Berufsarbeit es zulässt (Art. 13 Mitwirkungsgesetz).

Falls ich nicht gewählt werde: Wie kann ich meine gewerkschaftlichen Rechte dann ausüben?

Im Gesetz ist nicht festgelegt, welche gewerkschaftlichen Rechte die Arbeitnehmenden im Betrieb ausüben dürfen. Häufig ist diese Frage in den Gesamtarbeitsverträgen, Betriebsreglementen bzw. Einzelarbeitsverträgen geregelt. Als rechtmässige Tätigkeiten betrachtet werden müssten beispielsweise die Verteilung einer Gewerkschaftszeitung während der Pausen oder die Nutzung eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Raums für eine Informationsveranstaltung ausserhalb der Arbeitszeit.

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