Ich arbeite als Drucker in einem kleinen Betrieb. Aufgrund des Coronavirus und dem Rückgang an Aufträgen, schickt mich meine Chef regelmässig vor Ende der Schicht nach Hause, wenn er keine Druckaufträge mehr hat. Oder ich soll manchmal gar nicht zur Arbeit erscheinen. Dies führt dann zu Minusstunden. Ich notiere mir immer genau, wie viele Stunden mir abgezogen wurden. Ich will diese Stunden einfordern und ich habe Angst, dass ich einen Teil meiner Ferien abgeben muss. Wie muss ich vorgehen?

Das vorzeitige Nachhause-Schicken oder nicht zur Arbeit aufgeboten werden ist eine Form von Annahmeverzug des Arbeitgebers. «Annahmeverzug» bedeutet, dass der Betrieb mit der Annahme einer Arbeitsleistung «in Verzug» gerät (Art. 324 OR). Annahmeverzug führt dazu, dass der Arbeitnehmer den Lohn zugut hat und die Zeit auch nicht nacharbeiten muss. Die Lohnzahlungspflicht trifft den Arbeitgeber auch, wenn er keine Schuld trägt, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nicht erbringen kann; also auch, wenn es wegen Auftragsmangel keine Arbeit gibt. Das ist die Konsequenz davon, dass der Arbeitgeber das Betriebsrisiko trägt; umgekehrt streicht er bei gutem Geschäftsgang auch den Gewinn ein und teilt ihn in der Regel nicht mit den Angestellten.

Ein kleines, aber entscheidendes «Detail» ist noch zu ergänzen: Um den Annahmeverzug des Arbeitgebers herbeizuführen, muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung ausdrücklich anbieten. Dies kann mündlich, schriftlich oder auch tatsächlich erfolgen, etwa indem er am Morgen am Arbeitsplatz erscheint, obschon er am Vorabend eine telefonische Absage erhalten hat!

Du hast erwähnt, dass du auf Anweisung deines Chefs ohne Widerrede nach Hause gegangen seist. Der Chef durfte dann davon ausgehen, dass du mit der Kürzung des Arbeitseinsatzes einverstanden warst. Du hättest ihm konkret mitteilen müssen, dass du mit der Verkürzung nicht einverstanden bist und den Dienst wie geplant zu Ende führen willst. Da dieses Arbeitsangebot von deiner Seite nicht erfolgt ist, trifft den Arbeitgeber keine Lohnzahlungspflicht für die Zeit, welche du früher nach Hause geschickt wurdest. Bedauerlicherweise kannst du somit die Stunden, über welche du Buch geführt hast, nicht mit Erfolg zurückfordern.

In Zukunft musst du klar mitteilen, dass du mit der Verkürzung des Dienstes nicht einverstanden bist, und verlangen, dass du wie geplant beschäftigt wirst. Erst wenn der Arbeitgeber dein Angebot nicht annimmt, schuldet er dir den Lohn auch für die Zeit, welche du nicht arbeiten konntest. Um ganz sicher zu gehen empfiehlt es sich daher, den Vorgang jeweils im Nachhinein mittels kurzem eingeschriebenem Brief oder Mail an den Betrieb zu den Akten zu geben und damit beweisbar zu machen.

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