Als langjähriger Schaltermitarbeiter bei der Post hat mich die aktuelle Bekanntmachung weiterer 170 Poststellenschliessungen empört. Seit Jahren werden Poststellen abgebaut. Die neuen Schliessungen sind für mich und auch meine Kolleg:innen nicht nachvollziehbar. In den sozialen Medien habe ich daher meine Meinung dazu geäussert.

Nun hat mein Vorgesetzter mich zu einem Gespräch mit dem HR eingeladen und mich aufgefordert, meinen Post sofort zu löschen, und mir mit der Kündigung gedroht. Darf er das?

Zuerst muss unterschieden werden, ob die Nutzung von sozialen Medien im Rahmen der Arbeit oder privat erfolgt. Grundsätzlich darfst du soziale Medien nicht während der Arbeitszeit privat nutzen.

Eine Rolle spielt auch, ob du den Post auf dem Arbeitsmittel des Arbeitgebers (Geschäftshandy oder -tablet) oder auf einem privaten Gerät verfasst hast. Wird die Nutzung der Arbeitsmittel zu privaten Zwecken in den Anstellungsbedingungen nicht erlaubt, hättest du deine Pflichten als Arbeitnehmer verletzt.

Ich habe den Post nicht während der Arbeitszeit und auf meinem privaten Handy geschrieben. Der Arbeitgeber darf mir doch nicht vorschreiben, was ich privat poste. Was ist mit der Meinungsfreiheit?

In Art. 16 der Bundesverfassung steht, dass die Meinungs- und Informationsfreiheit gewährleistet ist und jede Person das Recht hat, ihre Meinung frei zu bilden und sie ungehindert zu äussern und zu verbreiten.

Die freie Meinungsäusserung findet ihre Grenze in den Persönlichkeitsrechten, etwa dem Diskriminierungsverbot, im Strafrecht und auch in der Treuepflicht gegenüber einem Arbeitgeber. Treuepflicht (Art. 321a OR) heisst, du musst die berechtigten Interessen des Arbeitgebers wahren. Gestützt auf die Treuepflicht kann der Arbeitgeber verlangen, dass du ein Verhalten unterlässt, welches dem Ansehen des Unternehmens schadet. Private Handlungen können also Einfluss auf dein Arbeitsverhältnis haben. Ob ein Post die Treuepflicht verletzt, hängt ab vom genauen Wortlaut.

Ich habe die Sachlage gepostet, wie sie uns bei den letzten Schliessungen mitgeteilt wurde. Für mein Gefühl hat die Post ihre Zusagen nicht eingehalten und umfangreiche weitere Schliessungen verhängt. Ich fühle mich als Mitarbeitender nicht ernst genommen. Es wird über unsere Köpfe hinweg entschieden, und wir haben nichts dazu zu sagen.

Bei der Beurteilung von Beiträgen in sozialen Medien ist zu unterscheiden, ob die Publikation in einem öffentlichen Konto oder in einem privaten Profil erfolgt. Dabei gilt: je privater das Profil, desto geringer die Möglichkeit des Arbeitgebers, sein Interesse durchzusetzen.

Ein weiterer Aspekt ist, welche Stellung jemand im Betrieb hat. Je höher die Position im Unternehmen ist, desto grössere Einschränkungen muss er oder sie sich im privaten Bereich durch den Arbeitgeber gefallen lassen.

In deinem Fall kann der Arbeitgeber zwar verlangen, dass du den – öffentlichen – Post löschst, und dich allenfalls ermahnen. Eine Kündigung wäre hingegen missbräuchlich und könnte angefochten werden.

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