«Ein bisschen abgründig darfs schon sein»
Das breite Sortiment der Oerlikoner Quartierbuchhandlung entspricht den Vorlieben der Buchhändlerin Nicole Schmid. Sie interessiert sich für Politik, Kunst, Belletristik, Lyrik und Comics, sie malt und zeichnet und liebt das Zusammensein mit ihren kleinen Neffen. Bücher findet sie unverzichtbar – aber möglichst gedruckt, auf Papier.
In Oerlikon ist die Buchhandlung Nievergelt ein Begriff. Die Firmengeschichte reicht zurück bis 1888. 2015 verkaufte die Besitzerfamilie die Liegenschaft beim Marktplatz, heute führt eine GmbH das Traditionsgeschäft weiter. Die Geschäftsführerin, drei Buchhändlerinnen und ein Lernender nehmen Bestellungen entgegen, kümmern sich um die Ware und organisieren alle zwei Monate eine Lesung.
Nicole Schmid arbeitet seit Dezember 2015 bei Nievergelt. Eine Quartierbuchhandlung mit breitem Sortiment – das hat ihr immer gefallen. Sie ist seit 19 Jahren im Buchhandel. Ihre Ausbildung hat sie bei Scheidegger gemacht, einer ebenfalls traditionsreichen Buchhandlung in Affoltern am Albis. Dort blieb Nicole bis 2006. Sie kennt auch den Zwischenbuchhandel und das Verlagswesen.
Der Gewerkschaft ist sie vor rund zehn Jahren beigetreten. «So aktiv bin ich leider nicht», räumt sie ein, «aber an den Buchtreff und an die Branchenkonferenz gehe ich schon, wenn ichs zeitlich einrichten kann.»
Die Handschrift des Sprayers
«Ich betreue unter anderem den Bereich Comics und Mangas, gehe auch regelmässig ans internationale Comix-Festival Fumetto in Luzern», erzählt Nicole. «Ein bisschen düster und abgründig darfs schon sein», fügt sie lächelnd hinzu. Ja, und auch politisch. Aus einem Regal zieht sie den neuesten Band des französischen Graphic-Novel-Künstlers Jacques Tardi, der in eindrücklichen Bildern die Schrecken der Schützengräben im Ersten Weltkrieg nachzeichnet. Während Nicole den Tardi-Band wieder einreiht, weist sie auch noch auf eine Kostbarkeit des Buchladens hin: Originalzeichnungen des berühmten Zürcher Sprayers Harald Naegeli. Die Strichmännchen mit den überlangen Gliedmassen zieren Ladeninneres und Fassade. Sie sind echt und, wie eine Plakette vermerkt, schon seit 1985 hier: Seither wacht das Auge der Sprayfiguren über das Geschick des schönen Ladens.
Rabenvögel, Kriech- und Krabbeltiere
Nicole Schmid ist eine begeisterte Leserin seit ihrer Kindheit. Für schön gestaltete Bücher kann sie sich begeistern. Sie malt und zeichnet selbst, mag Lyrik und liebt die Natur. «Ich bin im Säuliamt aufgewachsen und wohne immer noch da», sagt sie. «Von meinem Wohnort aus bin ich sofort draussen, am Türlersee, im Wald, an Bachläufen und am Steinhauser Weiher.» Sie hat ein 90-Prozent-Pensum und pendelt jeden Tag quer durch den Kanton Zürich: «Immerhin kann ich im Zug lesen!»
Auf einem niedrigen Regal stehen edel gebundene naturkundliche Bändchen aus dem Verlag Matthes & Seitz. Diese schön illustrierten Büchlein mag sie besonders. Ihr spezielles Interesse gilt den Rabenvögeln, den Kriech- und Krabbeltieren, den Käfern und Spinnen, eine Leidenschaft, die sie mit ihren beiden kleinen Neffen teilt. Ihnen schenkt sie Bilderbücher und liest ihnen möglichst oft vor.
Treffpunkt mit Spielecke und Kaffeemaschine
«Eine Quartierbuchhandlung hat eine wichtige Funktion», davon ist Nicole überzeugt. «Es braucht jedoch ein breites Sortiment an Belletristik, Sachliteratur, Krimis, Kinderbüchern, Kochbüchern, auch Gartenliteratur. Als unabhängige Buchhandlung können wir unser Sortiment selbständig auswählen, wir beraten, suchen auch Antiquarisches, erstellen Bücherlisten zu bestimmten Themen – und packen Geschenke liebevoll ein.» Mit der Spielecke, dem Kaffeetischchen samt Kaffeemaschine ist Nievergelt ein Treffpunkt fürs Quartier. «Auf diese Weise hat eine Buchhandlung auch in einem Aussenquartier eine Zukunft!»