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Stellenabbau bei Tamedia: Sozialplan von den Redaktionen angenommen, Sozialdialog missachtet

Die Personalvertretung von Tamedia und das Zürcher Verlagshaus haben sich auf einen Rahmensozialplan geeinigt. Dieser gilt während den drei Jahren, in denen der Medienkonzern schweizweit 70 Millionen einsparen will. In der Romandie werden in dieser ersten Phase fünf Vollzeitstellen gestrichen. Tamedia hat in einen darauffolgenden einjährigen Kündigungsstopp eingewilligt.

TX Group Zürich

syndicom sichert den Redaktionen und dem technischen Redaktionspersonal ihre volle Unterstützung zu. Einmal mehr sind diese von den Sparprogrammen betroffen, die Tamedia und die TX Group Jahr für Jahr beschliessen. syndicom gratuliert den Mitgliedern der «Coordination» – der Vertretung der Arbeitnehmenden der Westschweizer Tamedia-Redaktionen –, die sich in einem langwierigen Verhandlungsprozess für einen Sozialplan und im Konsultationsverfahren für Alternativen zu den Entlassungen eingesetzt haben. Wie vor drei Jahren bei der Einstellung der Westschweizer Tageszeitung «Le Matin» erarbeitete die Personalvertretung mit grossem Engagement verschiedene ernsthafte Sparvorschläge, um die Anzahl Kündigungen zu minimieren. Aber wie vor drei Jahren wischte Tamedia alles vom Tisch. Ausnahme: Freiwillige Abgänge werden genutzt, um den Personalabbau von 6,5 auf 5 Vollzeitpensen zu reduzieren. Die Redaktionen sind weiterhin chronisch unterbesetzt und stehen seit Beginn der Pandemie unter besonders grossem Druck.

Schwieriger Sozialdialog

Die Redaktionen haben dem von der Personalvertretung hart erkämpften Sozialplan zwar zugestimmt. Darüber darf aber das unwürdige Verhalten der grössten Schweizer Mediengruppe im Sozialdialog nicht vergessen werden. Es ist schlichtweg skandalös, dass ein so gut gestelltes Unternehmen an einer Sparpolitik festhält, die im Wesentlichen aus Fusionen, dem Einstellen von Titeln und Entlassungen beruht. In den letzten Jahren haben die Redaktionen mehrfach gefordert, vorab in die Reorganisationsüberlegungen einbezogen zu werden. Vergeblich. Nach der Ankündigung der Einsparungen von 70 Millionen über drei Jahre hat die TX Group mit der «Coordination» in 20 von der Waadtländer Einigungsstelle begleiteten Sitzungen verhandelt – um schliesslich einige wenige Zugeständnisse zu machen, die sie monatelang hartnäckig verweigert hatte. Das ist inakzeptabel.

Immer noch kein Sozialplan in der Deutschschweiz

In der Deutschschweiz ist die Situation ähnlich. Die Redaktionen sind nun an die Eidgenössische Einigungsstelle gelangt. syndicom unterstützt sie in ihren Schritten und fordert die Verantwortlichen von Tamedia auf, für einen Sozialplan Hand zu bieten, der diesen Namen verdient. Die eingeleitete Massenentlassung von fast einem Drittel des Personals in den Redaktionen der beiden Berner Tageszeitungen «Der Bund» und «Berner Zeitung» – die am 1. Oktober fusioniert werden – erfolgt derzeit ohne ausgehandelten Sozialplan. Seit April wehren sich die Angestellten gegen diese Zusammenführung, welche die Medienvielfalt weiter untergräbt. Mit dem Manifest auf der Website «keinehalbensachen.ch» treten sie dem Vorgehen von Tamedia entgegen und fordern, dass die Entlassungen minimiert, die Konsultationsrechte des Personals gewahrt und die Leistungen des Sozialplans verbessert werden. Unter dem Dutzend Alternativen zu den Entlassungen, welche die Personalkommission im Konsultationsverfahren vom Juni vorgeschlagen hatte, hat Tamedia nur bestimmte Angebote zu individuellen Pensenreduktionen berücksichtigt. Dank dieser Solidarität von rund einem Dutzend Journalistinnen und Journalisten und freiwilliger Abgänge konnte der Stellenabbau abgemildert werden. Tamedia wies die übrigen vom Personal vorgeschlagenen alternativen Sparmöglichkeiten allesamt zurück. Erneut zeigt der Zürcher Medienkonzern seine Gleichgültigkeit und Geringschätzung gegenüber der Lösungssuche zusammen mit der Personalvertretung.

Gewerkschaftsfreiheit ist zu respektieren

Zudem scheint es Tamedia immer noch schwer zu fallen, die kollektiven Gepflogenheiten und Rechte zu respektieren. Vor der Bekanntgabe der Entlassungen in der Romandie hatten ihre Vertreter erklärt, von den Kündigungen eventuell betroffene Mitglieder von syndicom dürften bei ihrem Gespräch mit der Personalabteilung nicht begleitet werden. Als grösste Mediengewerkschaft vereint syndicom verschiedene Medienberufe, beispielsweise Fachleute der visuellen Kommunikation oder Korrektorinnen und Korrektoren. Zudem organisiert syndicom wie das Schweizer Syndikat Medienschaffender SSM oder der Berufsverband impressum zahlreiche Journalistinnen und Journalisten und stellt den Presseausweis mit Eintrag im Berufsregister aus. Tamedia muss die Gewerkschaftsrechte aller ihrer Angestellten respektieren. Dazu gehört auch das Recht, sich bei einem Kündigungsgespräch begleiten zu lassen. Die verfassungsmässig garantierte Gewerkschaftsfreiheit (Artikel 28 BV) macht vor den Türen von Tamedia nicht Halt. syndicom setzt sich für alle Journalistinnen und Journalisten und Medien- und Kommunikationsschaffenden ein und fordert das grösste Schweizer Medienhaus auf, seine soziale Verantwortung endlich wahrzunehmen. Die von den Medienkonzernen geforderten Subventionen sind nur dann gerechtfertigt, wenn die Grundrechte der Belegschaft und der zahlreichen Freelancerinnen und Freelancer geachtet werden.

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