«Weniger Häuptlinge – mehr Indianer:innen»
Am 15. Juni 2021 versendeten die Personalkommissionen von «Berner Zeitung» (BZ), «Der Bund» (Bund) und Tamedia Editorial Services (TES) ihre Stellungnahme zum Konsultationsverfahren an die Chefredaktion sowie an die Leiterin TES. Um den Stellenabbau zu verhindern respektive abzumildern, wird etwa die Deckelung von Löhnen verlangt und es bieten Mitarbeiter:innen an, freiwillig ihr Arbeitspensum zu reduzieren. So könnte gespart werden, ohne Kolleginnen und Kollegen zu entlassen.
Die beiden Redaktionen der Tageszeitungen «Berner Zeitung» und «Der Bund» sollen zusammengelegt werden. Dies verkündete die Geschäftsleitung des Medienkonzerns Tamedia im April 2021. Der Abbau umfasst rund 20 Vollzeitstellen. Dies entspricht fast einem Drittel des heutigen Stellenetats. Zahlreiche Mitarbeiter:innen erwartet die Kündigung.
Am 25. Mai 2021 startete das obligatorische Konsultationsverfahren. Dieses stellt gewohnt die beste Chance für die Belegschaft dar, alternative Sparmöglichkeiten vorzuschlagen – damit Tamedia die Anzahl Kündigungen minimieren kann.
Drei Wochen lang investierten die Personalkommissionen (Pekos) viel Kraft und Zeit, um diese Chance wahrzunehmen. Konkret handelt es sich dabei um die Peko von BZ/Bund sowie die Peko der TES. Tatkräftige Unterstützung erhielten sie dabei von der Gewerkschaft syndicom sowie vom Berufsverband Impressum.
Mutige, aber faire Vorschläge
Gemeinsam mit der Belegschaft wurden in den letzten Wochen Versammlungen abgehalten, Ängste diskutiert, Vorschläge formuliert. So entstand eine umfassende Stellungnahme. Darin werden zehn alternative Sparmöglichkeiten aufgezeigt, um Kündigungen zu vermeiden. Hinzu kommen zahlreiche Forderungen, die sicherstellen sollen, dass das Sparprogramm möglichst sozial verträglich über die Bühne geht.
Ein wichtiger Punkt ist etwa, die angekündigte Führungsstruktur zu überdenken. Laut Ankündigung soll die künftige Chefredaktion aus vier Personen bestehen – deutlich zu viel, so die Meinung der Belegschaft. Auch sonst wurden Kaderpersonen sehr grosszügig übernommen – und damit auch die grosszügigen Löhne. Es darf aber nicht nur an der Basis gespart werden. Deshalb fordern wir: Weniger Häuptlinge – mehr Indianer:innen.
Viele der Vorschläge sind bewusst mutig formuliert. Ein weiterer verlangt etwa, dass die Löhne gedeckelt werden. Ein Bruttogehalt von 9’000 Franken pro Monat hält die Belegschaft für vertretbar. Und auch hier gilt wiederum: Diese Massnahme soll nicht nur die Basis betreffen, sondern auch Personen in leitender Funktion.
Solidarität trotz Angst
Die letzten Monate waren für die Mitarbeiter:innen von BZ, Bund und TES nicht einfach. Die Ungewissheit, ob sie im Herbst noch einen Job haben oder nicht, lag wie eine dunkle Wolke über den Betroffenen. Schlaflose Nächte und Motivationsschwierigkeiten waren stete Begleiter.
Umso überwältigender war die Solidarität, welche in den letzten Wochen spürbar wurde. Bei den Pekos gingen zahlreiche Angebote aus der Belegschaft ein: Viele Mitarbeitende sind bereit, eigene Stellenprozente abzugeben, um ihre Kolleg:innen vor einer Kündigung oder Änderungskündigung zu retten. Diese freiwilligen Stellenprozente wurden Tamedia nun im Rahmen der Konsultation unterbreitet.
Bereits im Vorfeld signalisierte die Geschäftsleitung, dass sie bereit sei, einen Teil des Abbaus durch freiwillige Pensenreduktionen abzufedern. Es bleibt zu hoffen, dass der Konzern hier Wort hält.
Hoffen auf das Beste
Die umfangreiche Stellungnahme wurde am Dienstag, 15. Juni 2021, fristgerecht bei den Chefredaktionen BZ/Bund, bei der Leiterin TES sowie beim Human Resources eingereicht. Anschliessend teilten die Pekos das Schreiben auch mit der Belegschaft – ganz im Sinne der Transparenz.
Nun heisst es: Warten und hoffen. Offen bleibt, wie die Vorschläge und Forderungen der Belegschaft von Tamedia aufgenommen werden. Wir berufen uns auf das Versprechen, dass die Forderungen ernst genommen, eingehend geprüft und wo möglich umgesetzt werden.
Tamedia besteht darauf, dass die neue Redaktion per 1. Oktober 2021 operativ umgesetzt sein muss. Der Zeitplan ist also äusserst sportlich: Rechnet man die Kündigungsfrist von drei Monaten mit ein, bleibt nur noch wenig Zeit, diese bis Ende dieses Monats fristgerecht auszusprechen.
Wir hoffen inständig, dass dieser zeitliche Druck nicht dazu führt, dass die hart erarbeitete Stellungnahme nur oberflächlich behandelt wird. Es geht hier um die berufliche und finanzielle Existenz von Menschen – überstürzt zu handeln, wäre in den Augen der Pekos und auch in den Augen der Kolleginnen und Kollegen verheerend.
Die Personalkommissionen von «Berner Zeitung», «Bund» und Tamedia Editorial Services