Artikel

1:12 – gemeinsam für gerechte Löhne

Wenn ich in diesen Tagen durch die Schweiz fahre, entdecke ich an immer mehr Häusern die 1:12-Fahne. Das ist nicht nur gute Werbung, es ist vor allem auch die Verkörperung dessen, was wir uns unter Demokratie vorstellen, denn es sind nicht Grosskonzerne, die da von politischen Laufburschen plakatieren lassen, sondern einzelne Menschen, die die Debatte prägen. 

 

Während 1984 die Lohnspanne bei den 100 grössten Schweizer Unternehmen noch bei 1:6 lag, liegt sie heute bereits bei 1:43. Die Abzocker zahlen sich also immer höhere Gehälter aus, während der Lohnanstieg der restlichen Bevölkerung von wachsenden Mietpreisen und Krankenkassenprämien weggefressen wird. Die einen führen sich auf wie im Selbstbedienungsladen und greifen tief in den Lohntopf, für alle anderen bleibt immer weniger Rest. Die Ungleichheit in der Schweiz und weltweit wird immer krasser. Das verspottet die gros­se Mehrheit – ohne deren harte Arbeit die Manager keinen Franken verdienen würden. Genau da setzen wir an. Mit der 1:12-Initiative legen wir gemeinsam fest, dass niemand in einem ganzen Jahr weniger als ein Topmanager im Monat verdienen darf. Mit dieser einfachen Regel stoppen wir die Zocker und schaffen gerechte Löhne. Managersaläre können künftig nur noch im Gleichschritt mit den Löhnen aller anderen steigen. Der CEO kann nicht mehr Geld in die eigene Tasche fliessen lassen, ohne gleichzeitig den Lohn des Sekretärs anzuheben.

Mit der 1:12-Initiative bewegen sich die Managerlöhne wieder auf einem vertretbaren Niveau, und die Ungleichheit sinkt. In der Schweiz besitzt der Grossteil der Bevölkerung immer weniger. Die Vermögensschere beweist dies eindrücklich: Seit circa 30 Jahren geht sie immer weiter auseinander. Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt über die Hälfte des Vermögens. Ein Grund dafür, dass der Besitz immer ungerechter verteilt ist, liegt in den Löhnen. Innerhalb von 10 Jahren sind die Löhne der Bestverdienenden um knapp 20 Prozent gestiegen, die tiefen und mittleren Löhne nur um circa 5 Prozent.

Die Gegner haben in den letzten Wochen keine Möglichkeit vorbeigehen lassen, mit wirren Zahlenspielereien und gesponserten Studien die Debatte zu vernebeln. Vor jeder Vorlage, die mehr soziale Gerechtigkeit verlangt, wiederholen sie die gleichen leeren Drohungen.

Ihr grösstes Problem bei dieser Abstimmung ist aber ein anderes: Sie ertragen es nicht, dass sich das Volk tatsächlich erfrechen könnte, der Wirtschaft wieder minimale Spielregeln zu geben, anstatt sich diese von ein paar Top-Managern diktieren zu lassen. Es zeugt von reichlich dünnem Selbstbewusstsein, dass die Gegner der 1:12-Initiative das «Erfolgsmodell Schweiz» zerstört sehen, sollte die Bevölkerung dem Anliegen zustimmen. Denn was würde die 1:12-Initiative denn verändern? Abzocker­saläre wären keine mehr möglich, und niedrige Einkommen würden ein bisschen mehr vom Kuchen bekommen. Ist deshalb gleich das «Erfolgsmodell Schweiz» gefährdet? Oder viel grundsätzlicher, was macht denn das Erfolgsmodell Schweiz aus?

Es sind nicht irgendwelche Finanzkennzahlen, die dieses Land ausmachen, sondern die Menschen. Die Menschen sind es, die den Erfolg vieler Firmen durch ihre jahrelange Leistung prägen. Und die Menschen sind es, die über die hohe Bildung verfügen, welche die wirtschaftliche Innovation und Prosperität erst ermöglicht.

Durch die notwendige Infra­struktur – von den Berufsschulen über die ETH bis hin zu den Schienen und Strassen – trägt auch der Staat das Seine bei. Das Erfolgsmodell der Schweiz mag aus noch vielen weiteren Faktoren bestehen.

Was aber sicher nicht dazugehört, ist, dass sich UBS-Manager Andrea Orcel 26 Millionen Antrittsentschädigung oder CS-Chef Brady Dougan 92 Millionen Jahreslohn ausbezahlen kann. Das ist nur noch Selbstbedienung auf Kosten aller anderen. Stoppen wir die Abzockerei gemeinsam. Ein Ja zur 1:12-Initiative ist ein Ja für mehr Gerechtigkeit, aber auch für mehr Demokratie.

* David Roth, Präsident der JUSO Schweiz, Vizepräsident SP-Schweiz, Kantonsrat Luzern

Informiert bleiben

Persönlich, rasch und direkt

Du willst wissen, wofür wir uns engagieren? Nimm Kontakt zu uns auf! Bei persönlichen Anliegen helfen dir unsere Regionalsektretär:innen gern weiter.

syndicom in deiner Nähe

In den Regionalsekretariaten findest du kompetente Beratung & Unterstützung

Jetzt Mitglied werden