Artikel

125 Jahre Erster Mai

In über 100 Staaten gilt der 1. Mai heutztage als Feiertag. 2015 ist es 125 Jahre her, seit der Erste Mai zum ersten Mal begangen wurde. Der Erste Mai spiegelt die Geschichte der weit verästelten sozialen Bewegungen und politischen Parteien im Kampf für Gerechtigkeit und Menschenrechte. Die Gewerkschaften haben diese Geschichte entscheidend geprägt.

Ursprünge und Geschichte des 1. Mai

Die gegen Ende des 19. Jahrhunderts erstarkende Arbeiterbewegung stellte vor allem den 8-Stunden-Tag in den Mittelpunkt ihrer Forderungen. US-amerikanische Gewerkschaften wollten diese Forderung am 1. Mai 1886 durchsetzen. Der 1. Mai war in den USA der Tag, an dem die Arbeiter traditionell ihre neuen Arbeitsbedingungen aushandelten. In Chicago begann an diesem 1. Mai ein umfassender Streik, der am 4. Mai in einem Attentat auf die Polizei und einer offenen Stras­senschlacht endete. In einem Prozess wurden anschliessend 7 Arbeiterführer zum Tod verurteilt (an vier Personen wurde die Strafe vollzogen), einer beging in der Zelle Selbstmord, zwei wurden zu einer lebenslänglichen Strafe «begnadigt».

Auch in Europa und Australien forderte die junge Arbeiterbewegung primär den 8-Stunden-Tag und humanere Arbeitsbedingungen. Der internationale Arbeiterkongress von Paris 1889, der sich als II. Internationale konstituierte, wollte dies mit einer «gleichzeitigen Forderung an die öffentlichen Gewalten» in allen Städten und Ländern erreichen. In Erinnerung an den Streik von Chicago sollte der Kampf um den 8-Stunden-Tag am 1. Mai 1890 beginnen. Ein Jahr später folgte die Entscheidung der II. Internationalen, den 1. Mai nunmehr an jedem Tag als Kampftag zu begehen.

Anfänge des 1. Mai in der Schweiz

In der Schweiz wurde 1890 der 1. Mai bereits in 34 Orten gefeiert. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund organisierte damals knapp 5000 Mitglieder, die Sozialdemokratische Partei der Schweiz war erst 9 Monate alt. «Einige tausend» dürften an diesem Tag auch der Arbeit ferngeblieben sein, weitaus am meisten in Bern, wo am frühen Nachmittag bereits rund 2000 marschierende Personen gezählt wurden. Mehr Zulauf hatten in den meisten Orten die Abendveranstaltungen (die gute Quellenlage über die Teilnahme an den ersten Mai-Feiern rührt daher, dass der Bundesanwalt die Manifestationen systematisch bespitzeln liess). 1910 wurden in der Schweiz 96 Orte mit 1.-Mai-Feiern gezählt. In Zürich wurden vor dem Ersten Weltkrieg mehrmals über 10 000 Teilnehmende gezählt. Mit dem Weltkrieg kommt ein Einbruch, mit der wachsenden Not der Arbeiterfami­lien 1918 aber wieder ein Zuwachs an Teilnehmenden. Der grösste Schweizer 1.-Mai-Umzug findet 1919 mit rund 50 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Zürich statt. Kurz zuvor war – als späte Ernte des Generalstreiks – der 8-Stunden-Tag (die 48-Stunden-Woche) für viele Branchen eingeführt worden.

Integration und neue Forderungen

In den Zwanzigerjahren sind die 1.-Mai-Feiern in der Schweiz vor allem von innerlinken Richtungskämpfen geprägt, in den Dreissiger- und den Kriegsjahren vom Kampf gegen den Faschismus und in den Nachkriegsjahren von der allmählichen Integration in den bürgerlichen bzw. sozialdemokratisch-gewerkschaftlich mitgeprägten Staat. Ab den 50er-Jahren symbolisieren Trachtengruppen und Ehrendamen an den Umzügen bescheidenere Forderungen. Militante Äusserungen sind nur mehr am Rand zu vernehmen. Wichtigste oppositionelle Stimme sind die «Gastarbeiter», die ab den 60er-Jahren die Umzüge zu dominieren beginnen. Wenig später bringen die neuen Linken – die Studenten-, Frauen-, Ökologie-, Friedens-, Drittwelt- und Anti-AKW-Bewegung – neue Forderungen in die Demonstrationen. Seit den 70er-Jahren prägen die klassischen GewerkschafterInnen, die Exilgruppen und die neuen sozialen Bewegungen die Umzüge. Seit den 90er-Jahren zeichnet sich eine Vereinheitlichung der drei Blöcke ab, zumeist unter gewerkschaftlicher Leitung. Das überrascht nicht, haben sich doch die Gewerkschaften in den letzten 25 Jahren gründlich reformiert. Sie stellen heute schweizweit die grösste EmigrantInnen-Organisation dar. Und viele sozial Bewegte ehemaliger kleinerer Organisationen, die sich links der SP positionierten, spielen heute in der Gewerkschaft eine wichtige Rolle, sei es als Profigewerkschafterinnen oder als «militants».

Ewald Ackermann, SGB

Informiert bleiben

Persönlich, rasch und direkt

Du willst wissen, wofür wir uns engagieren? Nimm Kontakt zu uns auf! Bei persönlichen Anliegen helfen dir unsere Regionalsektretär:innen gern weiter.

syndicom in deiner Nähe

In den Regionalsekretariaten findest du kompetente Beratung & Unterstützung

Jetzt Mitglied werden