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«Alle AHV-Renten erhöhen»

Das Projekt AHV-plus mit dem Ziel, die erste Säule der Altersvorsorge zu stärken, ist vom SGB-Kongress 2010 lanciert worden. Seither wurde daran gearbeitet, und nun liegen vier Varianten vor. Die Referenzvariante sieht eine lineare Erhöhung der AHV-Renten um 10 Prozent vor (in Form eines Zuschlags) und wird von Präsidialausschuss und Vorstand des SGB zur weiteren Ausarbeitung vorgeschlagen. Doris Bianchi, die das Dossier der Sozialversicherungen im SGB betreut, erklärt das Ziel der Initiative und die Vorzüge des gewählten Modells.

 

Ganz zum Anfang: Wie geht es der AHV?

Doris Bianchi: Die Finanzierung der AHV ist ein solides System und ihre Lage ist ausgezeichnet. Zudem gibt es für die nächsten zehn Jahre keine Anzeichen einer Verschlechterung. Gemäss den Studien des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes ist die Finanzierung bis 2030 gesichert. Es ist aber klar, dass es zusätzliche Einnahmen braucht, wenn wir höhere Renten finanzieren wollen.

Der Präsidialausschuss und der Vorstand des SGB empfehlen der Delegiertenversammlung, eine Variante weiterzuziehen, die den Gedanken einer 13. AHV-Rente aufnimmt. Was heisst das genau?

Mit der Initiative wollen wir erreichen, dass die Renten aller Pensionierten steigen. Denn allgemein sind es die tiefen Löhne, die von der AHV am meisten profitieren. Unseres Erachtens ist es wichtig, auch die Maximalrente zu erhöhen, denn nicht nur Leute mit hohem Einkommen erhalten die Höchstrente, sondern auch Leute mit normalem Einkommen und Kindern. Im Finanzierungssystem der AHV ist es wichtig, dass eine höhere Rente erhält, wer mehr einbezahlt hat. Deshalb finden wir, dass alle Renten angehoben werden sollen, und zwar im Ausmass einer 13. Rente, was einer Erhöhung um 8,3 Prozent entspräche. Wir sind allerdings der Meinung, dass eine Erhöhung von 10 Prozent gut finanzierbar ist. Die Minimalrente würde um 116 Franken steigen, die Maximalrente um 232 Franken und die Höchstrente für Ehepaare um 348 Franken.

Was sind die wichtigsten Vorteile dieser Variante gegenüber den drei andern?

Vorab handelt es sich um ein sehr einfaches Modell, das sich gut erklären lässt. Wie gesagt steigen die Renten der jetzigen und der künftigen Rentnerinnen und Rentner um 10 Prozent. Das Modell lässt sich einfach ins heutige, gut funktionierende System der AHV einbauen, ohne dass die Struktur des Systems oder die Formel zur Rentenberechnung verändert werden müsste.

Was sind die voraussichtlichen Kosten dieses Referenzmodells?

Wir schätzen, dass eine lineare Erhöhung der AHV-Renten um 10 Prozent Zusatzkosten von rund 3,6 Milliarden Franken jährlich bringt. Um dies zu finanzieren, müssten die Beiträge sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um je 0,55 Prozent erhöht werden.

Hätte dieses Modell auch politisch die besten Chancen?

Ich glaube schon. Und zwar nicht nur, weil es das einfachste Modell ist, sondern auch, weil die vorgeschlagene Erhöhung keine Nachteile bei den Einnahmen hätte. Es ist nachhaltig und berechenbar. Stärkere Erhöhungen würden das System mehr belasten und es würde entsprechend schwieriger, eine Mehrheit dafür zu finden.

Die Bedingungen der Altersvorsorge sind für die Frauen nicht besonders gut. Wird ihnen AHV-plus Verbesserungen bringen?

Grundsätzlich sind alle Verbesserungen der AHV für die Frauen wichtig, weil die AHV innerhalb der Altersvorsorge die beste Abdeckung bietet. Weshalb? Weil bei der Rentenberechnung der AHV auch die Familienbetreuung einbezogen wird. Deshalb kann eine Frau, auch wenn sie zu tiefen Löhnen gearbeitet hat, mit der Maximalrente rechnen. In der Schweiz erhalten mehr als 60 Prozent der geschiedenen Frauen mit Kindern eine Maximalrente. Aber auch wenn die AHV tatsächlich ein besonderes Augenmerk auf die Frauen richtet, bedeutet es nicht, dass die Frauen insgesamt eine gute Altersvorsorge haben. Tatsächlich haben viele Frauen Lücken bei der Rente der zweiten Säule. Also weit weg vom Maximum. Die Erhöhung um 10 Prozent der AHV-Maximalrenten wird somit auch den Frauen nützen.

Wie du gesagt hast, bestätigen Studien des SGB, dass die AHV finanziell gesund ist. Und doch gibt es Kreise, die keine Gelegenheit auslassen, um das Gegenteil zu behaupten. Darauf wird wohl bei der Kampagne zu achten sein?

Sicher, wir sind bereit! Es ist wichtig, zu schauen, wer hinter diesen Behauptungen steht. Die UBS hat beispielsweise eine Studie über den Zustand der AHV gemacht und kommt zum Schluss, dass es ihr schlecht geht und dass alle bis 70 werden arbeiten müssen. Es ist offensichtlich, dass die Banken kein Interesse daran haben, die erste Säule zu stärken, denn sie verdienen daran nichts und können also keinen Profit machen. Die Banken wollen, dass die Leute auf ihrem eigenen Konto sparen; das bringt ihnen Geld und Gewinne. Wir hingegen vertreten die Haltung, dass die Sozialversicherungen das machen sollen, wofür sie geschaffen sind: im Dienste aller zu stehen.

Interview: Françoise Gehring, Gewerkschaftssekretärin sev und freie Journalistin.

Erschienen in «kontakt.sev» Nr. 22 vom 8. November.

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