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Anne Seydoux-Christe, Präsidentin der PostCom

Anne Seydoux-Christe ist, nach einer reichen politischen Laufbahn im Stadtparlament von Delémont, dem Parlament des Kantons Jura und dem Ständerat, seit dem 1. Februar 2021 Präsidentin der Eidgenössischen Postkommission (PostCom), der unabhängigen Post-Aufsichtsbehörde.

© PostCom

Die PostCom wird für 2023 neue Mindeststandards festsetzen. Auf welcher Grundlage werden diese definiert?

Die PostCom führt derzeit eine detaillierte Studie – in Form einer Umfrage – zu den Arbeitsbedingungen bei den registrierten Unternehmen durch. Für die Begleitung dieser Arbeiten wurde eine beratende Expertengruppe (Anbieter, Gewerkschaften und weitere Expert*innen) eingesetzt. Der für Frühling 2022 erwartete Schlussbericht der Studie wird der PostCom als Grundlage dienen, um die neuen Mindeststandards zu definieren.

Die Post könnte ihre Poststellen nur eine Minute pro Woche öffnen – und würde die Erreichbarkeitsvorgaben immer noch einhalten. Sind die geltenden Kriterien noch angemessen? 

Die Post muss sicherstellen, dass 90 % der Bevölkerung eines Kantons eine Poststelle oder -agentur in 20 Minuten zu Fuss oder per öV erreichen können. Auch ein Dichtekriterium wird angewendet. Die PostCom kontrolliert die Einhaltung dieser Werte. Bei den Öffnungszeiten muss sich die Post auf die Bedürfnisse von Bevölkerung und Wirtschaft ausrichten. 2020 lagen diese durchschnittlich zwischen 6 und 8 Stunden.

Weil beim Personal gespart wird, werden die Wartezeiten an den Schaltern immer länger. Kann die PostCom etwas dagegen unternehmen?

Es gibt keine Vorgaben zu den Wartezeiten an den Schaltern, und die PostCom verfügt über keine Informationen dazu. Im Durchschnitt hat die Kundenfrequenz pro Tag 2020 in den Poststellen jedoch ab- und in den Agenturen zugenommen. Die PostCom weiss aber nicht, ob sich dies auf die Wartezeiten ausgewirkt hat.

Viele Unternehmen arbeiten im Bereich der Postdienste, sind aber nicht registriert (z. B. Essenskurierdienste). Was kann die PostCom hier unternehmen?

Die PostCom sucht den Postmarkt aktiv und fortlaufend ab, damit sich alle Postanbieter registrieren. Sie kontaktiert die Unternehmen systematisch und leitet Verfahren ein, nachdem sie vorgängig eingehend geprüft hat, ob es sich tatsächlich um Anbieter von Postdienstleistungen handelt.

Was kann die PostCom tun, damit Politik und Gesetze die Auswirkungen der Plattform-Ökonomie auf die Arbeitnehmenden verringern?

Die grösste Schwierigkeit ergibt sich aus der Auslagerung der Paketzustellung an Subunternehmen, denn die PostCom darf diese nicht direkt überwachen. Die PostCom wird Vorschläge machen, wie ihre Aufsichtsrolle in diesem Bereich gestärkt werden könnte. Sie ist hier aber bereits tätig und wendet die bestehenden gesetz lichen Grundlagen an, um zu verhindern, dass sich der Wettbewerb mit Lohndumpingpraktiken entwickelt.

Was sind die nächsten Herausforderungen der PostCom?

Fragen der Grundversorgung – wie soll sie definiert werden, welche Qualitätskriterien sind anzuwenden, wie wird sie finanziert – und des Wettbewerbs – Mindeststandards, neue
Akteure, Logistik in der Stadt, Umwelt erwägungen – werden die PostCom beschäftigen. Wir sind daran, unsere Überlegungen und Anregungen in einem Bericht zuhanden des Bundesrates zusammenzufassen. Wir werden dort unsere Feststellungen und Empfehlungen für eine Anpassung der Postgesetzgebung und Ausweitung unserer Kompetenzen unterbreiten.


Giovanni Valerio

Das Porträt ist im syndicom-Magazin Nr. 25 erschienen

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