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«Bücher wird es weiterhin geben»

Verkaufen mag sie. Politik auch. Und Lesen sowieso. Buchhändlerin Angela Inauen arbeitet in der Buchhandlung im Volkshaus, sie pendelt jeden Tag von Frauenfeld nach Zürich und ist überzeugt: Buchhandlungen, die zum Schmökern und Stöbern einladen und wo die Kundschaft gut beraten wird, braucht es auch in Zukunft. 

Fein und zierlich ist sie, die blonden Haare trägt sie offen, ihre Ohrgehänge baumeln leise. Im Untergeschoss der Buchhandlung – hier findet sich Sachliteratur zu Psychologie und Psychoanalyse, Politik, Frauenbewegung, Reisen, Fussball und anderem mehr – ist es an diesem Freitagvormittag ruhig; die Laufkundschaft, die zwischen dem Marktbesuch und einem Kaffee im schicken Volkshaus-Restaurant den Bücherladen im gleichen Haus aufsucht, hält sich gern im Erdgeschoss auf. Dort gibts Belletristik, eine gute Auswahl an Krimis, gleich neben dem Eingang aktuelle politische und Kulturzeitschriften und auf der Ladentheke eine überaus attraktive Auswahl von Neuerscheinungen, Büchern, CDs und DVDs.

Seit fünf Jahren arbeitet Angela Inauen, 27, in der Buchhandlung im Zürcher Volkshaus; es ist die Stelle, die sie sich gewünscht hat – ein kleiner Betrieb mit gutem Sortiment und viel Stammkundschaft. So war es Angela von ihrer Lehrzeit im Bücherladen von Marianne Sax in Frauenfeld gewohnt.

«Nach der Lehre fand ich nicht auf Anhieb eine Anstellung, die mir behagte», erzählt sie. «Wir waren drei Buchhandelsklassen, die gleichzeitig abschlossen, und auch wenn nicht alle sechzig AbsolventInnen ins Berufsleben einsteigen wollten, waren gute Stellen nicht so ohne weiteres zu haben. So jobbte ich fürs Erste, unter anderem als ‹Dialoger› für Umweltorganisationen.» Manchmal sei es schon hart gewesen, draussen zu stehen bei Wind und Kälte und sich die Kommentare unfreundlicher Passanten anzuhören, aber sie habe viel gelernt dabei, vor allem das Verkaufen, das ihr sehr gefalle, so die Buchhändlerin.

MINDESTENS DREI PRO WOCHE

Angela Inauen ist eine begeisterte Leserin. Ihren relativ langen Arbeitsweg von Frauenfeld nach Zürich nutzt sie für die Lektüre. Drei Bücher pro Woche liest sie nur schon im Zug, Sachbücher und Belletristik. Sie liebt Literatur aus Osteuropa, insbesondere Rumänien, das sie auch schon bereist hat, aus Russland, auch aus Afrika. Beeindruckt war sie von Jean Zieglers neuem Buch «Wir lassen sie verhungern». Die junge Buchhändlerin scheint über unerschöpfliche Energie zu verfügen: «Ich interessiere mich für sehr viele Dinge und muss immer etwas machen!» Neben ihrem 100-Prozent-Job engagiert sie sich – ehrenamtlich – für das Kulturprojekt KAFF in ihrer Stadt.

KAFF steht für «Kulturarbeit für Frauenfeld» und ist ein Konzert-, Party- und Eventlokal mit Bar, das vor allem von jüngeren Frauenfelderinnen und Frauenfeldern frequentiert wird. Angela führt das Sekretariat, kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit und organisiert Lesungen. «Wir konnten zum Beispiel Autoren wie Peter Schneider und Yusuf Yesilöz einladen, auch Thomas Meyer, der Autor von ‹Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse›, kommt zu uns», sagt sie mit einigem Stolz.

Sie geniesst es, selbständig Anlässe zu organisieren, zu entscheiden, wie der Flyer gestaltet und wo er gedruckt werden soll, möglichst vor Ort, ganz klar. Mindestens einmal im Monat fährt Angela am Samstag nach der Arbeit direkt ins KAFF und führt dort die Bar bis in die frühen Morgenstunden. Auch hat sie schon selbst Musik aufgelegt, vor allem Balkan-Sound.

Seit ihrer Lehrzeit ist Angela Inauen Mitglied der Gewerkschaft. «Aktiv bin ich zwar nicht», meint sie, «aber ich lese regelmässig die Zeitung und den Newsletter für den Buch- und Medienhandel, und ich interessiere mich für das, was bei syndicom läuft, zum Beispiel die Vertragsverhandlungen in den verschiedenen Branchen oder die Diskussion um längere Ladenöffnungszeiten.» Gewerkschaftspolitik – die wird ja auch unter dem gleichen Dach am Zürcher Helvetiaplatz gemacht: Im Volkshaus sind die Sekretariate von syndicom und Unia, und Angela kann von ihrem Arbeitsplatz aus mitverfolgen, wie die Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen zu Aktionen und Demos aufbrechen.

STÖBERN UND SCHMÖKERN

Die Entwicklung der Buchbranche und das Verschwinden der kleineren, selbständigen Buchhandlungen verfolgt sie aufmerksam.

Allerdings: «Unser Publikum ist nicht auf Niedrigpreise fixiert und versucht nicht, Rabatte her­aus­zuholen. Unsere Kundinnen und Kunden kommen zu uns, weil sie gerne stöbern, in Büchern schmökern, auch wenn wir keine Sofalounge haben», meint sie.

Sie spürt Solidarität im Quartier; man unterstütze die vielen kleinen Läden und Gewerbebetriebe im Nahbereich, sagt sie. Auch im Zeitalter der Gratis-Downloads werde es weiterhin Bücher geben und Buchhandlungen, die auf Qualität und Beratung setzen, davon ist sie überzeugt.

* Charlotte Spindler ist freie Journalistin in Zürich.

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