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Der Fichenstaat ist zurück – stärker denn je

Das neue Gesetz will die Vollmachten des Nachrichtendiensts ausbauen und öffnet dem undemokratischen Schnüffelstaat Tür und Tor. Künftig hätte er die Möglichkeit, ohne Verdacht auf eine Straftat in die Privatsphäre der EinwohnerInnen einzudringen und deren Leben und Kommunikation zu überwachen. 

 

Am 13. November 2015 verübten islamistische Terroristen an verschiedenen Orten in Paris Anschläge, bei denen 130 Menschen starben und mehrere hundert verletzt wurden. In der Folge verhängte Frankreich den Ausnahmezustand und erteilte den Sicherheitsbehörden massiv mehr Kompetenzen. Am 15. Juli 2016 raste ein islamistischer Attentäter mit einem Lastwagen über die Strandpromenade von Nizza und tötete 84 Menschen. Die Folge? Frankreich verlängerte – einmal mehr – den Ausnahmezustand.

Die Episode zeigt zwei bittere Wahrheiten. Erstens: Europa kennt auf Bedrohung, Terror und Sicherheitsbedürfnis nur eine Antwort: noch mehr vom Gleichen. Zweitens: mehr Härte, mehr Überwachung, mehr Sonderrechte für die Sicherheitsbehörden verhindern Terrorismus nicht.

Privatsphäre ist wie Sauerstoff ...

Es lohnt sich, das im Kopf zu behalten, wenn in den nächsten Wochen über das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG) debattiert wird. Denn das NDG, das am 25. September zur Abstimmung kommt, soll dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) massiv mehr Kompetenzen einräumen.

«Do ut des» – gebe, damit dir gegeben wird. Die Welt der Geheimdienste ist eine Welt des Tauschens und Hehlens. Deshalb sollen die Schweizer Schlapphüte eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten erhalten, um im globalen Markt der besten Informationen mithalten zu können. Darum geht es am Ende: um das Sammeln von Daten und den Tausch von Informationen.

Gemäss Recherchen des «Blick» erhielt der NDB im Jahr 2015 rund 9000 Meldungen aus dem Ausland; im Gegenzug lieferte der NDB etwa 4500 Meldungen an ausländische Geheimdienste.

Doch was für den Geheimdienst bloss noch mehr Tauschmaterial darstellt, ist für die Bevölkerung ein massiver Eingriff in die Privatsphäre: So soll der NDB künftig Trojaner, also Spionage­software, in Computer einschleusen dürfen; er darf Kabelleitungen anzapfen, über die wir uns ans Netz hängen und mit Bekannten austauschen; er darf mit Drohnen, Kameras und Satelliten öffentliche Orte überwachen.

... man schätzt sie erst, wenn sie fehlt

Er darf Informanten anheuern, GeheimdienstmitarbeiterInnen mit Tarnidentitäten ausrüsten und die Tätigkeit der Mitarbeiter geheim halten – die Liste der neuen Kompetenzen des NDB liesse sich lange fortsetzen.

Von den Überwachungsmöglichkeiten sind längst nicht nur mutmassliche Terroristen betroffen. Das NDG ermöglicht es dem Geheimdienst nämlich, auch auf die im Rahmen des Überwachungsgesetzes Büpf gesammelten Vorratsdaten zuzugreifen, also die verdachtsunabhängig gespeicherten Informationen, wer wann mit wem wie lange und von wo aus telefoniert, gechattet oder gemailt hat.

Das neue Nachrichtendienstgesetz stellt also nicht zuletzt auch für JournalistInnen eine Bedrohung dar. Denn wenn der Geheimdienst auch sechs Monate später noch prüfen kann, wann sich ein Journalist mit wem ausgetauscht hat, dann ist der viel beschworene Quellenschutz nur noch Makulatur.

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