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Die Abschaffung des politischen Spielraums

Stefan Giger, VPOD-Generalsekretär und Referent an der Stop-TISA-Tagung vom 9. September, fasst die wichtigsten Punkte der Debatte noch einmal zusammen.

 

syndicom: Weshalb engagieren sich die Gewerkschaften so vehement gegen TISA?

Stefan Giger: TISA hat zum Ziel, den gesamten Dienstleistungsbereich zu deregulieren. TISA beinhaltet keine Elemente, die auf Grundversorgung und Grundrechte ausgerichtet sind, Begriffe wie allgemeiner Zugang zu Grundversorgung oder Service public fehlen.

TISA enthält dafür neue Instrumente, mit denen jeder Privatisierungsschritt unumkehrbar wird: «Standstill» verbietet, neue Regulierungen aufzustellen, die es bei Vertragsschluss noch nicht gab. «Ratchet» macht jeden späteren Deregulierungsschritt unumkehrbar. Mit TISA wird ein neuer globaler Kolonialismus geschaffen: Wenn ein Diktator oder ein anderer korrupter Regierungschef einmal einen Bereich für die Deregulierung geöffnet hat, kann mit TISA keine spätere, demokratisch gewählte Regierung mehr zurück. Einmal verkauft, immer verkauft. Mit TISA soll weltweit der ganze Dienstleistungssektor in die Hand von wenigen privaten Konzernen gebracht werden. Alle Macht den multinationalen Konzernen? Da können wir als Gewerkschaften nur die Antwort NEIN geben.

Was ist das Ziel der Tagung am 9. September in Bern?

Mit der Tagung wollen wir das Thema TISA in die öffentliche Diskussion bringen. Es darf nicht sein, dass eine Delegation des Seco darüber verhandelt, dass man im Bereich des Service public das Recht aufgibt, neue Gesetze zu machen oder gemachte Fehler zu korrigieren – und niemand spricht über diesen Vertrag! Wir möchten also eine breite Debatte lancieren, damit die Politik, aber auch die Stimmberechtigten und die ganze Bevölkerung sensibilisiert werden – denn aller Voraussicht nach wird es zu diesem Vertrag ein Referendum geben.

Wo stehen die TISA-Verhandlungen zurzeit, bzw. was weiss man, was droht uns?

Von offizieller Seite wissen wir weiterhin wenig, aber immerhin: Nachdem Wiki­Leaks Texte über die Anhänge zum TISA-Abkommen (die «Annexe») veröffentlicht hat, haben wir das Staatssekretariat für Wirtschaft, das diese Verhandlungen führt, mit den Texten konfrontiert. Die Texte scheinen echt zu sein, und unsere Interpretation der vorliegenden Anhänge wurde nicht bestritten: Wenn zu einem Thema ein Annex beschlossen wird, dann ist die Annexbestimmung auf alle Länder direkt anwendbar, auch wenn das Land im Hauptteil den Bereich auf seine «Ausnahmeliste» gesetzt hat.

Nachdem Anhang um Anhang über WikiLeaks an die Öffentlichkeit kam, hat nun das Seco auf seiner Webseite eine Liste von gegen 20 Themen veröffentlicht, zu denen Anhänge verhandelt werden. Darunter der Energiesektor, aber auch Post, öffentliches Beschaffungswesen, elektronischer Handel, verschiedene Arten von Transport, Finanzdienstleistungen und Immobilienkauf durch ausländische Parteien.

Zwischenzeitlich sind über WikiLeaks auch die einzelnen Artikel des Haupt­teils aufgetaucht. Wir veröffentlichen diese auf tisa-vpod.ch.

Aus diesen Dokumenten kann man auch ersehen, dass offenbar noch nicht über die Mechanismen zur Streitbeilegung verhandelt worden ist. Möglicherweise wird auch das Thema «Investitionsschutz» (also die Klagemöglichkeiten von Konzernen gegen Staaten) diskutiert.

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