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Die Arbeit machen die Maschinen und die Kundschaft

«Einfach mit System» heisst der Slogan, unter welchem die Post-Leitung Anfang Jahr ihre Vision für die Zukunft des Unternehmens lanciert hat. Mit neuen Online-Applikationen wird der Zugang zu den Dienstleistungen der Post möglicherweise kundenfreundlicher. Eng damit verknüpft sind ein permanenter Effizienzdruck auf die Beschäftigten und ein weiterer Umbau der Stellenprofile des Unternehmens. 

 

Im letzten Jahr reiste die Konzernleitung der Schweizerischen Post gemeinsam ins kalifornische Silicon Valley, um an einem mehrtägigen Workshop an der Vision für die Zukunft des Unternehmens zu feilen. Der Ort – die Heimat vieler grosser IT- und Computerunternehmen – sollte nicht nur als Kulisse, sondern auch als Inspiration und Programm dienen.

Kader war «begeistert»

Im vergangenen Herbst wurde dann an einer Tagung in Zermatt das Kaderpersonal als «interne Botschafter» installiert. Die Vision sei «allseits begeistert aufgenommen worden», berichtet die Mitarbeitenden-Zeitung «Die Post» im Januar. In der gleichen Ausgabe legen auch die Chefs ihre Bekenntnisse ab. Personalleiter Yves-André Jeandupeux möchte zum Beispiel am neuen Hauptsitz auf ein eigenes Büro verzichten, um die Vernetzung und Zusammenarbeit zu vereinfachen. Und Franz Huber, Leiter Poststellen und Verkauf, empfiehlt den Mitarbeitenden, «sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen, um den tieferen Sinn zu erkennen und ihn zu verstehen».

Um diesen Sinnfindungs-Prozess beim Personal zu beschleunigen, tourt die Post-Chefin ab Anfang Mai persönlich durch die ganze Schweiz und wird an rund einem Dutzend so genannter «Visiorama»-Veranstaltungen erklären, «wohin die Schweizerische Post sich entwickeln will und welche Chancen und Herausforderungen uns auf diesem Weg erwarten». Die Teilnahme ist freiwillig, ausserhalb der Arbeitszeit, die Verpflegung offeriert und die Platzzahl beschränkt.

Postschalter im Handy

Die Stossrichtung der künftigen Entwicklung ist aber auch für Aussenstehende offensichtlich: Die Post hat im vergangenen Jahr wiederum sehr viel Geld in die Digitalisierung und Automatisierung investiert. Sie führte mehrere neue Dienstleistungen ein, welche die Brücke zwischen physischer und digitaler Ebene schlagen sollen. Augenscheinlich ist das beim «PostCard Crea­tor», einer App, welche das Hochladen von digitalen Bildern erlaubt, die dann als gedruckte Postkarte verschickt werden können. Wer sich die App aufs Smartphone lädt, kann eine Karte pro Tag gratis versenden. Oder der elektronische Briefkasten, der unter dem Namen «E-Post Office» lanciert wurde. Die EmpfängerInnen der Briefe können entscheiden, dass ihre Briefe eingescannt und als E-Mail geschickt werden sollen.

Via das Online-Tool «Meine Sendungen» wird die Auslieferung eines Pakets per SMS angekündigt und kann dem Kundenbedürfnis angepasst werden: Umleiten auf eine andere Adresse, Zustellung verschieben oder Abholung auf einer Poststelle. Auf dem traditionellen gelben Abholzettel hat es neu einen QR-Code, der den Zugriff via Smartphone auf die Online-Anwendung vereinfacht. Und selbst die gute alte Briefmarke hat unterdessen eine elektronische Schwester erhalten. Ein SMS genügt, und man erhält einen Zahlen-Code, der, per Hand auf den Brief geschrieben, die Marke ersetzt.

Persönliche Reklame für den gläsernen Bankkunden

Schliesslich wartete auch die PostFinance mit digitalen Neuerungen auf. Die Umgestaltung der Plattform E-Finance im letzten Herbst schafft neue elektronische Schnittstellen. Und dank einer umstrittenen Änderung der Geschäftsbedingungen hat PostFinance jetzt auch Zugriff auf die Kundendaten, welche sie für das gezielte Aufschalten von Angeboten von Dritten nutzen will. Mit dem «gläsernen Kunden» lässt sich viel Geld verdienen. Und die Anwendung «Twint» ist ein «digitales Portemonnaie», welches das mobile, bargeldlose Zahlen mit dem Smartphone möglich macht.

Die neuen Zugänge über das Internet haben allesamt den Effekt, dass der Schalter in der lokalen Poststelle weiter an Bedeutung verliert. Im Finanzbericht 2014 heisst es dazu: «Das vermehrte Umsteigen der Kundinnen und Kunden auf elektronische Dienstleistungen und Angebote bewirkt weiterhin einen Rückgang der Briefmenge und der Nachfrage nach klassischen Dienstleistungen am Schalter.» Das erfordere «gezielte Weiterentwicklung des Postnetzes». Im Klartext: Poststellenschliessungen, Umwandlungen in Agenturen und Hausservice.

Ein anderer Bundesbetrieb – die SBB – verfolgt die gleiche Strategie. So verkündete ihr Verwaltungsratspräsident, der Ex-Post-Chef Ulrich Gygi, jüngst in der Sonntagspresse: «Es ist klar, dass wir längerfristig nicht einfach neue Verkaufskanäle wie Online und das Mobiltelefon hinzufügen können, ohne die Verkaufsstellen zu reduzieren.»

Eine ähnliche Wirkung hat die Automatisierung vieler Prozesse bei der Brief- und Paketpost. Das ist zwar kein neuer Trend, aber er wurde in den letzten Jahren noch weiter verstärkt. Bis Ende 2015 werden rund 55 Prozent der Briefe maschinell für die Gangfolge bis zum privaten Briefkasten vorsortiert. Das hat Konsequenzen für die ZustellerInnen. Ihre Arbeitseinsätze werden kürzer, weil das manuelle Sortieren entfällt. Statt Vollzeit- werden vermehrt Teilzeitjobs geschaffen. Die Touren können zudem laufend optimiert werden.

abholen müssen statt zugestellt bekommen

In diese Richtung geht auch ein Pilotprojekt in den Kantonen Waadt und Freiburg. Mit ­«Poste à la carte» soll getestet werden, ob die EmpfängerInnen es wünschen, nur an bestimmten Tagen bedient zu werden. Der deklarierte Kundennutzen verschränkt sich hier mit der Effizienzsteigerung.

Neue Anlagen und Erhöhung der Kapazitäten ermöglichen zudem die wachsende Paketmenge zu bewältigen, die durch den Onlinehandel generiert wird. Die Post reagiert auf den Druck der Branche mit der Erweiterung der Zustellzeiten und der Möglichkeit, Pakete in Automatenfächern rund um die Uhr abzuholen. Bereits an rund 30 Standorten stehen die Anlagen von «My Post 24».

Das Paket befüllt und adressiert sich selbst

Der boomende Onlinehandel hat noch eine weitere Investition der Post angestossen. In Oftringen wurde ein «hochautomatisiertes» Warenlager mit dem Namen ­«YellowCube» erstellt, das einen kompletten Logistik-Service für Onlinehändler anbietet. Dort arbeiten jetzt die gelben Roboter. In diesem Zusammenhang wird auch die lokale Poststelle eine neue Funktion im E-Commerce erhalten: Sie wird dem Onlinehandel in Zukunft eine physische Marketing-Plattform bieten und als «Showroom»-Fläche dienen. Auch für diese Neuerung läuft soeben ein Pilotversuch an.

Natürlich sind die Auswirkungen dieser Entwicklung für die Post-Mitarbeitenden nicht genau absehbar. Klar ist aber, dass sie sich auf massive Veränderungen einstellen müssen. Sonst wären die Wortwolken der Post-Chefs in der Mitarbeiterzeitung nicht so gross und die Beschwörungsformeln nicht so eindringlich.

Folgen für die Beschäftigungsprofile

Der Druck auf die Anstellungsprofile im Verkauf und in der Zustellung wird sich auf jeden Fall erhöhen. Eine weitere absehbare Gefahr besteht darin, dass die Post vermehrt Arbeit an eigene oder fremde Unternehmen auslagert, wo die Löhne niedriger, die Anstellungsbedingungen schlechter und die Kosten tiefer sind. So werden zum Beispiel nur noch 20 Prozent der Postsachen durch die Post selbst transportiert. Die «WagenführerInnen» sollen mit der Zeit ganz weggespart werden.

Die neue Post-Vision verlangt erhöhte gewerkschaftliche Aufmerksamkeit. Unter dem Deckmantel der Modernisierung darf die Deregulierung der Arbeitsbedingungen nicht vorangetrieben und das Personal nicht unter einen ständigen Effizienzdruck gesetzt werden. Die Post lebt davon, dass sie mit zufriedenen Mitarbeitenden einen hochwertigen Service public erbringt.

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