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«Die Awareness ist nicht so gross»

Dejan Stojanovic, 34, ist Netzwerk-Spezialist. Als eine Form von Produktmanagement im Mobil- und Festnetzbereich umschreibt er seine Tätigkeit bei Sunrise in Zürich-Oerlikon. Im «Staff Committee» vertritt er die Interessen der Sunrise-Belegschaft und war auch bei den Verhandlungen für den ersten Sunrise-GAV dabei.

Fünf Uhr abends. Dejan Stojanovic legt die Jacke über die Stuhllehne im Restaurant am Bahnhof Oerlikon, bestellt einen Kaffee, beginnt zu erzählen. Er ist im Wallfahrtsort Einsiedeln im Kanton Schwyz aufgewachsen, besuchte die zum ­Kloster gehörende Stiftsschule und schloss diese mit einer altsprachlichen Maturität ab: Griechisch, Latein. An der Uni Basel studierte er Medizin, wechselte dann an die Hochschule St. Gallen, wo er ein Wirtschaftsstudium aufnahm, sich an der elitä­ren Ausbildungsstätte jedoch gar nicht wohl fühlte. «Ich hatte das Bedürfnis, etwas ganz anderes zu machen, bewarb mich für eine IT-Stelle in der nord­irischen Stadt Belfast und hatte innerhalb eines Tages den Job», erzählt er. «Das war eine tolle Erfahrung. Ich arbeitete bei Cisco Systems mit Menschen aus ganz verschiedenen Ländern zusammen; abends traf man sich im Pub, und so lernte ich innert kürzester Zeit gut Englisch.»

Zurück in der Schweiz, fand Dejan Stojanovic eine Stelle bei der Allianz, wurde ein «Versicherungsheini», wie er scherzhaft bemerkt, stieg nach zwei Jahren als Call-Center-Agent bei Sun­rise ein und ist heute als «MVNO/FVNO-Spezialist» tätig. Die Erklärung liefert er gleich selbst nach: MNVO bedeutet Mobile ­Virtual Network Operator; FVNO dasselbe im Festnetz-Bereich. «Ich habe eine 100-Prozent-Stelle bei Sunrise; einen Grossteil meiner Arbeitszeit bin ich vor dem Bildschirm, aber wir sind auch bei unseren Kunden und Partnern vor Ort.»

Dejan Stojanovic arbeitet seit 2007 bei Sunrise am Hauptsitz in Zürich-Nord. Seit zwei Jahren engagiert er sich im «Staff Committee», der Mitarbeitervertretung des Unternehmens, und ist inzwischen deren Vizepräsident. Als Staff-Vertreter nahm er auch an den GAV-Verhandlungen teil. Vor einem Jahr trat er der Gewerkschaft bei. «Bei Sunrise ist der Organisationsgrad recht schwach», stellt er fest. «Unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die ‹Awareness›, das Bewusstsein für die gewerkschaftlichen Rechte, nicht gross, aber gleichzeitig kann das auch eine Chance für syndicom sein, in einem gewerkschaftspolitischen Neuland Fuss zu fassen und Mitglieder zu gewinnen.»

Am 1. Januar 2013 tritt der erste GAV von Sunrise in Kraft, der unter anderem neu Mindestlöhne festsetzt. Für die kommenden Jahre bedeute der GAV ein Stück weit Sicherheit für die Sunrise-Belegschaft, meint Dejan Stojanovic. Der europäische Telecom-Markt sei hart umkämpft, Konkurrenz- und Preisdruck würden sich noch verschärfen. Der angekündigte massive Stellenabbau bei Swisscom und Sunrise setze jetzt schon Zeichen.

Dejan Stojanovic macht aus seinen politischen und gewerkschaftlichen Überzeugungen kein Geheimnis: «Ich bin da ganz offen.» Er ist Mitglied der SP, nutzt die sozialen Netzwerke für Austausch und Diskussionen. Dezidiert tritt er für einen möglichst raschen EU-Beitritt der Schweiz ein, für die Rechte von Migrantinnen und Migranten und gegen die Verschärfung des Asylrechts. Er ist selbst ein «Secondo»; seine Eltern stammen aus einer kleineren Stadt in Serbien. Das Einbürgerungsverfahren in Einsiedeln hat er nicht vergessen – erst im dritten Anlauf gewährte das Stimmvolk der Familie das Bürgerrecht. Mit seinem Nachnamen, der auf «-ic» endet, habe er sonst selten diskriminierende Situationen erlebt. «Immer mehr sogenannte Secondos rücken beruflich in gute Positionen auf, damit ändert sich die öffentliche Wahrnehmung der Migration», konstatiert er. Die Ausgrenzung dagegen spürten die nächsten Zuwanderer, derzeit die jungen Männer aus dem Maghreb.

Dejan Stojanovic lebt mit seiner Familie in einer kleinen aargauischen Gemeinde. Mit seinen beiden kleinen Töchtern spricht er Serbisch; er möchte, dass die Kinder möglichst zweisprachig aufwachsen können. Seine Frau ist ebenfalls berufstätig: Das bedingt eine gute Organisation des Alltags. Daneben studiert Dejan Stojanovic spätabends Wirtschaft und Wirtschaftsinformatik an der Fernuniversität Hagen: «Ein flexibel einteilbares Fernstudium lässt sich gut mit Familie und Arbeit verbinden; als Autodidakt bin ich primär am jeweiligen Fach interessiert, spätestens in zwei Jahren jedoch möchte ich den Studienabschluss in der Tasche haben.»

* Charlotte Spindler ist freie Journalistin in Zürich.

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