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Die Chancen nutzen

syndicom hat am 9. September 2016 ihre erste Digitalisierungs-Tagung durchgeführt. Damit hat die Gewerkschaft die interne und externe Diskussion über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt und die Gesellschaft lanciert. Die zentrale Forderung aus gewerkschaftlicher Sicht ist, dass auch in Zukunft genügend bezahlte Arbeit für alle vorhanden sein muss, ohne dass die Arbeitsbedingungen verschlechtert werden oder das allgemeine Lohnniveau sinkt. 

 

Internet-Unternehmer Leo Keller schilderte im ersten Inputreferat die Treiber und Technologien hinter der digitalen Revolution: «Alles wird digitalisiert, was digitalisiert werden kann», ist Keller überzeugt. Computer könnten schon heute Texte wie ein 10-jähriges Kind verstehen, was enorme Möglichkeiten bei der Auswertung von Daten eröffne. Eine der nächsten grossen Entwicklungen sei das Internet der Dinge, für das die Swisscom das Netz bereitstellen werde. Es sei damit zu rechnen, dass innerhalb von wenigen Jahren weltweit Milliarden von Geräten miteinander verbunden sein werden. Ganze Branchen würden umgewälzt durch die Plattform- und Sharing-Ökonomie, durch digitale Zahlungsformen wie Bitcoin, Automatisierungen und den zunehmenden Einsatz von Robotern. Damit teilt Keller die Ansicht vieler Experten, dass die Digitalisierung eine disruptive Entwicklung sei, die das ganze Wirtschafts- und Gesellschaftssystem verändern wird. Deshalb sei es umso wichtiger, dass sich die gesamte Linke und insbesondere die Gewerkschaften intensiv mit den neuen Technolo­gien auseinandersetzten, da sie ansonsten den Anschluss verlieren würden. «Schon heute haben die Unternehmen einen grossen Vorsprung gegenüber den Gewerkschaften, was die Digitalisierung betrifft!»

Eine Evolution, keine Revolution

Martin Kuhlmann vom Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen legte in seinem Referat den Schwerpunkt auf mögliche Handlungsfelder für Arbeitende und die Gewerkschaften. Im Gegensatz zu Keller betonte er weniger die Technologien, sondern vielmehr die Arbeitsprozesse in den Betrieben. Nach Kuhlmann werden nur solche Unternehmen erfolgreich sein, die neben der digitalen Aufrüstung gleichzeitig geeignete Management- und Organisationskonzepte entwickeln, die es erlauben, das zivili­satorische Potenzial der Digitalisierung auszuschöpfen. Nur wenn die Menschen in den Betrieben die neuen Technologien auch annehmen und dementsprechend nutzten, könnten sie ihr Potenzial entfalten. Zentral sei, dass sich die Mitarbeitenden bei der Gestaltung der Arbeitsprozesse einbringen können, was für die Gewerkschaften eine grosse Chance darstelle.

Den Gewerkschaften komme entgegen, dass es sich grundsätzlich um evolutionäre Entwicklungen handle, die sich über viele Jahrzehnte hinziehen würden. Dies biete den Gewerkschaften genügend Zeit, sich anzupassen, erfordere aber auf der andern Seite einen grundlegenden Wandel in der Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmenden in den Betrieben. Mitsprache und Mitgestaltung wird auch innerhalb der Gewerkschaft an Bedeutung zunehmen.

Alle sollen profitieren können

Christophe Degryse, Journalist und Wissenschaftler am europäischen Forschungs- und Bildungsinstitut ETUI in Brüssel, stellte den Stand der Forschung vor. Für die Gewerkschaften in Europa stehen zurzeit drei Themen im Vordergrund: Arbeitszeitreduktion, Weiterbildung und Umverteilung. Die Gewinne infolge Automatisierung und Roboterisierung müssten gerecht verteilt werden. Dafür sei aber eine andere Machtverteilung zwischen Kapital und Arbeit nötig. Wer soziale Unruhen vermeiden wolle, müsse die Macht des Kapitals brechen. Der Wert der Arbeit und damit der Wert der Menschen müssten im Vordergrund stehen und gestärkt werden.

«syndicom will, dass alle Menschen von den Chancen der Digitalisierung profitieren und dass den Gefahren rechtzeitig entschieden entgegengetreten wird», sagte syndicom-Zentralsekretär Telecom/IT Giorgio Pardini in der Vorstellung der 13 Thesen zur Digitalisierung (s. u.). syndicom geht dort auf die Gesamtarbeitsvertrags- und Branchenpolitik ein, die Gesellschaftspolitik und die eigene Organisationsentwicklung.

Zentral ist für syndicom, dass das lebenslange Lernen auf allen Ebenen gefördert wird. Zudem muss sichergestellt werden, dass weiterhin genügend Arbeit für alle vorhanden ist. Dazu gehört die Diskussion über die Lebensarbeitszeit und Arbeitszeitverkürzung. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist zentral, dass die Grundversorgung mit digitalen und Logistik-Netzen jederzeit auf höchstem internationalem Niveau ist.


Dossier Digitalisierung der Arbeitswelt

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