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Die letzte grosse Reise

Manchmal lebe ich so, als würde mein Leben unendlich dauern. Und doch wird es mir immer wieder plötzlich bewusst, wie sehr das Leben doch vom Sterben umgeben (oder besser: bedroht?) ist. Genau davon handelt das Buch des Journalisten Tiziano Terzani.

Er war 59, als ihm sein Arzt in Bologna eröffnete: «Signor Terzani, Sie haben Krebs.» Eine für den langjährigen «Spiegel»-Korrespondenten und Asien-Kenner damals völlig unerwartete Botschaft! Sie zog ihm aber nicht den Boden unter den Füs­sen weg, sondern machte ihn erst einmal nachdenklich, still. Und dann beschloss er, sich aufzumachen zu einer weiteren «Runde auf dem Karussell», zur letzten grossen Reise seines Lebens. Er stellte die Frage nach dem Zusammenspiel zwischen Körper und Geist. Ja, was wohl hatte ihn krank gemacht?

Als Erstes begab sich Terzani nach New York, wo er in der berühmten Krebsklinik MSKCC einer Operation und mehreren Chemotherapien unterzogen wurde. Und er tat dies allein, ohne dass seine Arbeitskolleginnen oder Freunde davon wussten. Nach mehreren Monaten in den USA flog Terzani nach Asien, mit dem Ziel, dort alle nur möglichen Therapien, Heilmittel, «Wundermedikamente», die ihm helfen könnten, anzuschauen und auszuprobieren. Er besuchte ein Ayurveda-Zentrum im Süden Indiens, nahm an einem Reiki-Kurs teil, probierte heilkräftige Pilz-Extrakte in Hongkong und landete nach vielen weiteren Stationen in der Abgeschiedenheit des Himalayas.

Dort begann er das vorliegende Buch zu schreiben, das nicht traurig stimmt, sondern mit seinem Reichtum und seiner Tiefgründigkeit ermutigt. Aus­serdem fasziniert die Beobachtungsgabe des Autors und zeigt deutlich, wie verschieden die asiatische Lebensanschauung von der unseren ist. Der kranke Terzani stellt aber auch fest, dass es für eine «moderne» Krankheit nicht einfach eine alte Kunst gibt, die heilt. Sondern dass das Akzeptieren der Krankheit auch Heilung bedeuten und befreien kann. Am Schluss des Buches mit dem Untertitel «Vom Leben und Sterben» schreibt er, er lebe mit dem Gefühl, dass die Welt fantastisch sei, dass auf ihr nichts zufällig geschehe und es im Leben ständig Neues zu entdecken gebe. Und viel zu entdecken gibt es auch auf den über 700 Seiten dieses Buches. Es ist ein bedeutendes Vermächtnis!

Terzani starb 2004, 66-jährig.

Christine Hunziker ist Buchhändlerin und Museums­mitarbeiterin.

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