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Digtales Portemonnaie - Alles zahlen mit dem Handy

«Schluss mit Cash», verspricht die PostFinance-Tochter Twint AG*. Wollen wir das überhaupt? Hat Twint Chancen gegen Apple und Google? Was das Zahlsystem bringt: für Händler und Konsumentinnen, für die Verkaufsangestellten. 

Twint ist eine App. Man kann damit nicht nur elektronisch bezahlen, sondern – wie mit der Supercard von Coop – im gleichen Schritt Treuepunkte sammeln und Gutscheine einlösen. Einsetzbar ist die App an EFT/POS-Terminals (bargeldlosen Kassiergeräten), die mit der sog. Beacon-Technologie (Identifizierung des Telefons per Blue­tooth) ausgerüstet sind – das kleine Gerät kostet den Händler derzeit 95 Franken. Aber auch im Netz: Twint kann zur Überweisung zwischen zwei Apps benutzt werden (vom Kunden zum Händler oder von Kundin zu Kundin). Aufladen kann man das digitale Portemonnaie mit Guthabenkarten, per Lastschriftverfahren, via E-Banking oder am Postomat.

Kein grosser Erfolg

Obwohl der Detailhändler Coop Partner ist von Twint und die Werbemaschinerie der PostFinance auf Hochtouren läuft, nutzt praktisch noch niemand die App. Es ist die klassische Huhn-Ei-Problematik: Die Kundinnen laden die App erst, wenn ein Grossteil der Händler Twint als Zahlungsoption anbietet. Der Händler hingegen will nur Zahlungsmöglichkeiten anbieten, welche die Kundschaft auch (bereits) nutzt. Die PostFinance versucht diese Problematik mit geschickter Preispolitik auszuhebeln: Eine Transaktion mit Twint kostet den Händler im Minimum nur 2 Rappen. Die klassische EFT/POS-Transaktion kostet das Zehnfache. Weiter entfällt die Kommission der Kreditkartenunternehmen. Der erhoffte Erfolg blieb bis dato aber aus.

Auch einen zweiten Trumpf hat PostFinance: Twint funktioniert nicht nur ohne Kreditkarte, sondern bietet auch die Option der Äufnung per LSV an. Gerade kritische KonsumentInnen könnten damit überzeugt werden. Aber die Idee des «vollumfänglichen» Portemonnaies (inkl. datenschnorchelnde Treueprogramme und Lock-Gutscheine) wirkt noch nicht sympathisch.

Die Beweggründe der PostFinance

Die Digitalisierung unserer täglichen Transaktionen schreitet voran. Wenn die PostFinance sich jetzt nicht ein Stück vom Kuchen abschneidet, verliert sie Marktanteile. Bereits gibt es zahlreiche Bezahlsysteme auf mobilen Geräten wie PayPal, Google Pay, Apple Pay oder das Schweizer ­Paymit*. Der Schweizer Markt ist noch nicht entwickelt und lässt die Chance zu, dass eine Bezahl-App sich zum Primus mausern kann. Dafür nimmt die PostFinance sogar in Kauf, ihre eigene PostFinance Card direkt zu konkurrenzieren und kleinere Margen zu akzeptieren. Ob die Strategie aufgeht, ist offen.

Druck auf die Händler

Detailhändler werden von den diversen Anbietern neuer Zahlungsverfahren stark umworben und haben die Qual der Wahl. Jeder Anbieter preist seine Zahlungsart als unverzichtbar an.

Die PostFinance geht so weit, dass sie bei ihren Kleinkunden vorbeikommt und die App kostenlos einrichtet. Erstaunlich, unter welchem Druck die PostFinance stehen muss, wenn dies angeboten wird.

ungewisse Zukunftsperspektiven

Die Annahme, dass sich der Zahlungsverkehr zum Teil auf Smartphones und Tablets verschieben wird, ist sicher realistisch. Die Margen würden dadurch einbrechen, womit die Anbietenden weniger Ressourcen für den klassischen Zahlungsverkehr einsetzen könnten.

Liebgewonnene Dienstleistungen wie das gelbe Postbüchlein, der rote Einzahlungsschein und die Maestro-Karte geraten unter Druck. Auch dies ist Teil der «industriellen Revolution 4.0».

Digitalisierung darf nicht gegen die Menschen gehen

Arbeitnehmende, welche mit diesen Entwicklungen in ihrem Arbeitsumfeld nicht mehr mitkommen, werden massiv an den Rand gedrängt. Unsere Arbeits- und Lebenswelt wird immer stärker von der digitalen Welt bestimmt: jeder Schritt wird gemessen, jeder Einkauf registriert, jede Bewegung hinterlässt ihre Spuren.

Als Gewerkschaft müssen wir dazu beitragen, dass die Arbeitnehmenden im Zuge der vierten industriellen Revolution nicht auf der Strecke bleiben. syndicom ist bereit, diese Herausforderung anzunehmen und für die Arbeiterinnen und Arbeiter nach Lösungen zu suchen!

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